[1] Bürgermeister und Rat der Stadt Freiburg im Breisgau berichten in einer am 5. Mai 1513 ausgestellten Urkunde, es hätten mehrere Bürger mit der Bitte sich an sie gewandt, eine bruderschaft der sengerye gründen zu dürfen. Denn gott der allmechtig [würde] dardurch gelopt, die selen getröst und die menschen zu zyten, so sy dem gesang zuhorten, von gotslesterung, ouch vom spyl vnd anderer weltlicher uppigkeyt gezogen: Gott, der Allmächtige, würde damit gepriesen, die Seelen würden getröstet, und die Menschen, wenn sie dem Gesang zuhörten, von Gotteslästerung, Spiel und anderen weltlichen Lastern abgehalten. In Rücksicht nicht zuletzt auf die guettaeten, so den armen selen dardurch nachgeschechen mocht, wird diesem Ersuchen stattgegeben. Die Bittsteller dürfen ihre bruderschaft aber nur genau so einrichten, wie es eine ordnung im Detail vorschreibt, die dem Ersuchen an den Stadtrat von den Sängern beigegeben wurde und in der Gründungsurkunde in 17 Punkten von wort zu wort noch einmal festgehalten wird.[1]
[2] Hätten wir diese 17 Artikel der ordnung nicht, ließe sich anhand der ansonsten spärlichen Angaben dieser Quelle nicht näher bestimmen, was für eine besondere Form von Gesellschaft den Bittstellern 1513 eigentlich vorschwebte. Denn die namentlich genannten Gründer Michel Punt, Jacob Rumel, Rudolff Balduff, Ludwig Wurtzburger und Heinrich Wyßlandt lassen sich nirgends als Verfasser von Liedern oder wenigstens als Sänger von Liedern nachweisen.[2] Ansonsten aber sind keine Sänger oder Verfasser von Texten oder Melodien aus der Freiburger bruderschaft bekannt, weder aus Freiburger Konzerten noch aus etwaigen Auftritten in anderen Städten.[3] Aus den Freiburger Konzerten hat sich ferner nicht einziges Lied erhalten, das Auskunft über den Charakter der lokalen Aufführungen geben könnte. Und schließlich bleibt auch die in der Urkunde gewählte Bezeichnung der Freiburger Vereinigung als bruderschaft ohne Aufschluss. bruderschaft ist weder in Freiburg terminus technicus, der speziell für einen Zusammenschluss von Sängern reserviert war,[4] noch ist er es andernorts.[5] Erst aus einigen Punkten der ordnung geht hervor, dass den Freiburgern 1513 die Gründung einer Gesellschaft von Meistersingern vorschwebte. Die Bezeichnung Meistersinger kommt in dem gesamten Stiftungsbrief zwar nicht vor, aber Punkt 10 erwähnt immerhin ein zweimal jährlich abzuhaltendes hawptsingen, das um einen Geldpreis (toppel)[6] geführt wird. Und Punkt 11 legt genauer fest, dass nur eingeschriebene Mitglieder um diesen Preis (umb die gaben) singen dürfen. Ferner regeln die Punkte 8 und 12 die Praxis der Zuerkennung des Preises. Sie sei in die Hände von insgesamt vier geistlichen und weltlichen mercker zu legen, die beim Vortrag des Sängers anwesend sein müssten (Punkt 12). Zwei dieser Jury-Mitglieder ‑ so Punkt 8 ‑ sollen aus dem Kreis der bruderschaft selbst gestellt werden, und zwei externe sollen nach Möglichkeit von den örtlichen Dominikanern kommen, oder anderßwa zwen gelert man, oder doch zum wenigsten einen, die sich der heiligen gottlichen geschrift verstanden (oder von andernorts zwei gelehrte Männer oder wenigstens einen, die sich in der Bibel auskennen). Der Sieger des Wettstreits dürfe anschließend selbst in den Kreis der mercker aufrücken (Punkt 13). Und neben den solcherart abgehaltenen hawptsingen dürfen auch noch zu anderen Gelegenheiten ‑ insbesondere vor, bei und nach dem gemeinsamen Festessen der Gesellschaft und anschließend in geselliger Runde ‑ Gesangsvorträge stattfinden, wenn es denn keine torliche[n] lieder sind und es grundsätzlich erbarlich und zuchtigklich zugeht (Punkt 15).
[3] Fasst man die Angaben der ordnung in ihren wesentlichen Punkten zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Die Freiburger sengerye sollte grundsätzlich im Rahmen kollektiver Versammlungen stattfinden (Punkt 12 geht von der Anwesenheit von zumindest drei bis vier Merkern aus ‑ und natürlich von mehreren Wettbewerbern). Dort sollten die Lieder dann ‑ mehr oder minder öffentlich ‑ von einem Sänger den Anwesenden zu Gehör gebracht werden (d.h. sie sollten nicht primär schriftlich verbreitet und lesend von den Interessenten rezipiert werden). In der Gesangsveranstaltung selbst diente der Vortrag der Lieder nicht allein der zwanglosen Unterhaltung der Anwesenden, sondern bildete das Zentrum kommunikativer Handlungen, die dem agonalen Muster des Wettstreits folgten (denn die Liedvorträge wurden ja von einem Expertenpublikum von Merkern bewertet, und es winkte dem besten Vortrag ein Preis). Die Bindung des Gesangs an eine besondere Form der öffentlichen Aufführung, das ihr zugrunde liegende agonale Interaktionsmuster, die kollektive Bewertung des Liedvortrags durch eine Gruppe anwesender Experten, die Bezeichnung dieser Experten mit dem terminus technicus des Merkers sowie nicht zuletzt die Vierzahl dieser Merker: dies sind die Kernelemente der Freiburger bruderschaft der sengerye. Es sind aber auch die Kernelemente zahlreicher weiterer Vereinigungen von ‑ vornehmlich in süddeutschen Städten ansässigen ‑ Handwerkern, die sich in eigenen Gruppen organisiert haben, um wie die Freiburger Meistersänger in der sogenannten Singschule, der zentralen Veranstaltung ihres Gesellschaftslebens,[7] ihre Meisterlieder vorzutragen. Daher verbildlicht auch eine vom Nürnberger Philipp Hager (1599-1662)[8] gestiftete Kabinettscheibe, auf der er sich 1637 als Meistersinger hat darstellen lassen, die Meistersinger-Existenz dieses Schuhmachers ‑ er war Sänger (seit 1612) ebenso wie Merker (seit 1634) ‑ im Rückgriff auf die genannten Kernelemente. Die Glasscheibe stellt nämlich den öffentlichen Sängerauftritt vor den vier im sogenannten Gemerk versammelten Merkern in einer Singschule während eines Preissingens dar.
Abbildung 1: Philipp Hager als Meistersinger während einer Singschule ‑ an der Wand im Hintergrund die Preise für den Gewinner des Wettsingens, ein Kranz und eine Silberkette (Kabinettscheibe von 1637, Kunstsammlungen der Veste Coburg).[9] |
[1] Gesangsaufführungen wie die Nürnberger Singschule Hagers schwebten also 1513 den Freiburgern vor. Die Anlage ihrer Konzerte mutet freilich heute befremdlich an: namentlich die enge Bindung der Rezeption literarischer Liedproduktion an ihre Aufführung und das Kollektiv einer Öffentlichkeit von Anwesenden in der face-to-face-Interaktion, der agonale Handlungsrahmen, der nur ein einziges Lied als das Beste zulässt, das Bestreben, die Güte eines Liedes gleich durch ein ganzes Gutachter-Kollektiv feststellen zu lassen, und nicht zuletzt der Versuch, die Kriterien der Liedbewertung sogar in eigens schriftlich fixierten, überindividuell gültigen, festen Regeln zu fixieren. (In der Darstellung der Kabinettscheibe deutet ein Tintenfass auf dem Tisch der Merker hinter dem Vorhang die übliche Praxis in den Singschulen an, in sogenannten Tabulaturen während des Vortrags die Fehler zu ermitteln und zu notieren, die man als Vortragender nicht begehen durfte.)[10] Neuzeitlichen Erwartungen an die eher der Vereinzelung des individuellen Lesers und seinem subjektiven Geschmack überlassene Rezeption von Lyrik läuft dies alles entgegen. Diese Erwartungen aber waren lange Zeit der stillschweigend vorausgesetzte Vergleichsmaßstab der älteren Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zum deutschen Meistergesang. Sie wusste sich der daraus folgenden Irritation dann freilich mit einem besonderen Deutungsschema zu entledigen: Obschon die städtischen Meistersinger zwar eine eher schlichte, aber keine Liedproduktion hinterlassen hätten, die literarisch heute noch anspräche, so hätten sie doch ihre Kunst ‑ dies zeige nicht zuletzt das Gemerk ‑ sehr ernst genommen, so dass eben diese (latent immer auch als typisch deutsch gedachte) bodenständige Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit der Meister auch heute noch zu schätzen und zu würdigen sei.[11] Man hat die Irritation hingegen nicht zum Anlass genommen, entschieden von den Bedingungen her, unter denen städtische Handwerker im 15. und 16. Jahrhundert sich literarisch überhaupt betätigen konnten, nach Herkunft und Sinn dieser merkwürdigen Konstruktion der Singschule zu fragen.
[2] Der Sinn der Gemerk-Interaktion erschließt sich nur demjenigen, der bereit ist, weiter in die Vorgeschichte jener Lieder auszuholen, die in der Singschule vorgetragen wurden, denn deren Gattungsgeschichte reicht immerhin bis ins 12. Jahrhundert zurück. Für einen solchen weiten Ausgriff sind die Voraussetzungen erst in den letzten Jahren geschaffen worden: durch das Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder (RSM), das erstmals überhaupt die Überlieferung vollständig erfasst, d.h. alle einschlägigen Handschriften, Drucke und Liedtexte.[12] Ferner sind aus dem Mitarbeiterkreis des RSM mehrere wichtige das Projekt vorbereitende und begleitende Untersuchungen hervorgegangen.[13] Im Zuge dieser Untersuchungen hat die germanistische Forschung gelernt, das gattungsgeschichtliche Kontinuum, in dem die Meistersinger mit ihren Meisterliedern stehen und in das sie sich auch selbst gestellt sahen, die vom 12. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert reichende Sangspruchtradition, als einen differenzierter gegliederten Gattungszusammenhang zu sehen, als es die Traditionsberufungen der Meistersinger glauben machen wollen. Diese führen ihre eigene Kunst nämlich auf von ihnen als Zwölf alte Meister verehrte Vorbilder zurück, deren Liedpraxis sie fortzusetzen behaupten.[14] Die Reihe dieser Zwölf alten Meister umfasst aber sehr verschiedenes: sowohl mittelhochdeutsche Sangspruchdichter des 12., 13. und 14. Jahrhunderts nämlich (so werden in der Germanistik jene hoch- und spätmittelalterlichen Berufsdichter bezeichnet, die als Fahrende in der Regel vor höfischem Publikum ihre sogenannten Sangsprüche vortrugen),[15] als auch spätere meisterliche Lieddichter des 14. Jahrhunderts, die erst einer späteren, zweiten Phase der Sangspruchtradition angehören, die man heute als meisterliche Liedkunst von der älteren, höfischen Sangspruchdichtung absetzt.[16] Erst aus letzterer, der meisterlichen Liedkunst, bildet sich dann, ohne dass die Übergänge im einzelnen deutlich zu sehen wären, schließlich der institutionalisierte Meistergesang heraus. Dieser vertritt also erst die späteste Phase der gesamten Sangspruchtradition.[17] Ein anonymer Holzstich des 19. Jahrhunderts, der nach einem Holztafelgemälde des 17. Jahrhunderts angefertigt wurde, setzt diesen Grundzug der meistersingerischen Sichtweise auf ihre eigene Vorgeschichte prägnant ins Bild. Dieser Entwurf einer idealen, von literarischer Tradition durchdrungenen Gemerksituation nivelliert nämlich die historische Differenz zwischen den verschiedenen Phasen der Sangspruchtradition. Als Merker werden keine zeitgenössischen Meistersinger abgebildet, sondern treten drei mittelhochdeutsche Sangspruchdichter des 13. und frühen 14. Jahrhunderts ‑ <Her>r Frawenlob (d.i. Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob), Herr Regenbogen und Herr Mörner (d.i. der Marner) ‑ sowie ein meisterlicher Lieddichter aus der Mitte des 14. Jahrhunderts ‑ herr Mügling (d.i. Heinrich von Mügeln)[18] ‑ auf. Diese begutachten einen Vortrag von Hans Sachs (1494-1576),[19] also eines Meistersingers erst des 16. Jahrhunderts.
Abbildung 2: Anonymer Holzstich des 19. Jahrhunderts, nach einem Holztafelgemälde des 17. Jahrhunderts, mit der Darstellung einer Singschule vor vier alten Meistern.[20] |
[3] Die germanistische Forschung hat sich bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus schwer getan, zur Beschreibung des mehrhundertjährigen Gattungskontinuums der Sangspruchtradition eine differenziertere Begrifflichkeit zu entwickeln, die sich vom Bemühen der Meistersinger absetzt, an literarische Vorzeit anzuknüpfen und historische Differenz zu überspielen. Seinen Grund hatte das u.a. darin, dass die Germanisten nur von der einen der beiden großen mittelhochdeutschen Liedgattungen, vom Minnesang, genauere Vorstellungen besaßen, während ihnen die Sangspruchdichtung des 12. bis 14. Jahrhunderts weithin konturlos blieb. So spricht beispielsweise ‑ um einmal bis in den Anfang der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Meistergesang auszuholen ‑ Jacob Grimm 1811 nahezu selbstverständlich von Minnesang; die Sangspruchdichtung aber wusste er seinerzeit nur als Meistergesang zu bezeichnen.[21] Erst im Zuge einer über mehrere Jahrzehnte reichenden Diskussion, in der vor allem der Gegensatz der Mehrstrophigkeit des klassischen Minneliedes zur Einstrophigkeit des klassischen Sangspruchs im Zentrum stand,[22] haben sich die Germanisten dann allmählich einen präziseren Begriff von der zweiten großen mittelhochdeutschen Liedgattung, der Sangspruchdichtung, bilden können. Erschwert wurde eine differenzierende Sicht auf die Vorgeschichte des Meistergesang zudem durch das Unverständnis, mit dem man unkonventionelleren uvres später höfischer Sangspruchdichter wie Frauenlob[23] oder früher meisterlicher Lieddichter wie Heinrich von Mügeln[24] begegnete. Die Verständnisschwierigkeiten, die deren Texte bereiteten (es gab Germanisten, die Frauenlob allen Ernstes für wahnsinnig hielten), begünstigten ein Deutungsmuster, das noch bis hinein in Bert Nagels Einführungsbändchen in den Meistergesang von 1971 wirkt. Indem dort der Sangspruchdichter Frauenlob mit der Gründung einer vermeintlich allerersten Gesellschaft von Meistersingern in Mainz in Verbindung gebracht wird,[25] wird ein unter ästhetischen Gesichtspunkten vermeintlich fragwürdiges uvre tendenziell ins Späte, ins Meistersingerische abgeschoben. (Diesem Verfahren kam natürlich entgegen, dass die städtischen Meistersinger des 15. und 16. Frauenlob und Mügeln als alte Meister verehrten und einige ihrer Melodien derart schätzten, dass man ihnen die Auszeichnung "gekrönter Ton" verlieh. Aus diesem Grund übrigens tragen Frauenlob und Mügeln in dem oben abgebildeten Holzstich Kronen auf ihren Häuptern.) In den letzten Jahrzehnten hat man sich dann aber entschiedener am tatsächlich Überlieferten orientiert. In der Folge hat sich nicht nur ein Detail wie die Existenz einer Meistersingerschule in Mainz schon im Umkreis Frauenlobs als Fiktion erwiesen. Im Blick auf die historischen Voraussetzungen, unter denen sich auch die Singschulen der städtischen Meistersinger seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert herausgebildet haben, sind vor allem zwei Probleme ihrer Erhellung präziser hervorgetreten:
[4] Faktur und Poetik der anonymen spätüberlieferten Lieder sind in der Breite noch nicht untersucht. Es zeichnet sich aber ab, dass ein beträchtlicher Bestand des anonym Spätüberlieferten noch in eine äußerst lebendige Phase der späten Sangspruchdichtung und frühen meisterlichen Liedkunst gehört, die lediglich als "zu aktuell" oder "zu wenig namhaft" von den größeren Handschriften des 14. Jahrhunderts nicht mehr dokumentiert wurde. Weiterhin zeichnet sich ab, dass diese Spätphase von einer in besonderer Weise ambitioniert-poetologisch ausgerichteten Liedproduktion geprägt war.[30] Am deutlichsten wird dieses artistische Bewusstsein der anonymen Dichter des 14. Jahrhunderts von ihrer eigenen Kunst in einer Vielzahl von Wettstreitgedichten herausgestellt. Dabei handelt es sich um fingierte kleine Sängerkriege, in denen die im Text grammatisch als Ich auftretende Sprecherinstanz bisweilen explizit in der Rollen eines namhaften Sangspruchdichters auftritt. Oft beschränkt sich die Profilierung der eigenen Kunst auch auf andeutende Bemerkungen, die das Interaktionsmuster eines Wettstreits unter Sängern aufrufen. Dem in Fragen der Gattungstradition hochkompetenten höfischen Publikum solcher Texte waren die entsprechenden Rollenspiele und Inszenierungsmuster aber leicht zu durchschauen. Denn in der Situation der Aufführung des Liedes vor Anwesenden war der singende Textsprecher/-Sänger, wenn er sich etwa im Text als Frauenlob gab, mit diesem Text-Ich Frauenlob ja gar nicht identisch. Elemente der aufgerufenen Wettstreitsituation, etwa die Lokalisierung auf dem plan, der grünen Wiese, der kampfbereite Auftritt eines mit Waffen ausstaffierten Sängers oder der Kranz zur Ausstattung des Siegers, waren in der realen Aufführungssituation gar nicht vorhanden.[31] Nimmt man indes diese Wettstreitgedichte nur in schriftlicher Form und ohne ihren ursprünglichen Aufführungsrahmens zur Kenntnis, liest man sie also nur statt sie auch zu hören und zu "sehen", dann unterliegt ihre Rezeption zwangsläufig der Gefahr eines Missverständnisses: der Gefahr nämlich einer identifizierenden Verwechslung von Sänger-Ich und Text-Ich.[32] Die Wettstreitgedichte vermitteln dann unweigerlich den Eindruck einer künstlerischen Praxis, die von realen Wettkämpfen zwischen ihren Autoren geprägt war. Diesem Missverständnis sind die Meistersinger erlegen. Diese These arbeitet mit zwei Hintergrundannahmen: erstens der, dass den Meistersingern das Wissen von der Kunst ihrer Vorgänger nicht in einem breiten Strom an die lebendige Aufführung gekoppelter Tradition zugänglich wurde, sondern dass sie dieses Wissen wesentlich schriftlich, d.h. auf der Grundlage von Handschriften erwarben,[33] und zweitens der, dass die meistenteils spät erst in den Meisterliederhandschriften des 15. Jahrhunderts und anonym überlieferten Wettstreitgedichte überwiegend eher in eine höfische Spätphase der Gattung im 14. Jahrhundert gehören als in eine Frühphase des Meistergesangs. Diese beiden Annahmen bedürfen zukünftig noch der weitergehenden Absicherung. Die Hauptthese selbst hat allerdings schon jetzt beträchtliches Erklärungspotential für die merkwürdige Konstruktion des Meistersinger-Gemerks. Vier Aspekte seien nachstehend benannt:
[1] In ihrer Zurückhaltung gegenüber dem Buchdruck und in dem konservativen Gebrauch von Schriftlichkeit in ihrer Tabulatur scheint das widersprüchliche Verhältnis auf, in dem die Meistersinger im beginnenden 16. Jahrhundert zum Medium Schrift stehen. Einerseits hat ihnen der breitere Eingang der Gattung in die Schriftlichkeit der Handschriften seit dem 14. Jahrhundert überhaupt erst ermöglicht, eine relative Kenntnis von älterer mittelhochdeutscher Lieddichtung zu erlangen. Andererseits nutzen sie Schriftlichkeit in ihren Tabulaturen statt produktiv restriktiv und stehen dem Buchdruck distanziert gegenüber. Das Medium Schrift behält in ihren Händen im Prinzip einen subsidiären, Kommunikation nur begrenzt "zerdehnenden"[38] Status. Die Verwendung von Schriftlichkeit im Gemerk bleibt noch, wie weithin im Mittelalter, an die Kopräsenz von Anwesenden gebunden. Und dennoch verlängert die Bindung des Meisterliedes an die face-to-face-Interaktion nicht einfach mittelalterliche Verhältnisse in die Frühe Neuzeit. Wenn man nämlich die Aufführungssituation eines Meisterliedes durch einen Meistersinger mit derjenigen eines alten Sangspruchs durch einen Sangspruchdichter einmal kommunikationspragmatisch vergleicht, zeigen sich zentrale Parameter der Aufführungssituation (Raum, Zeit, Publikum) verändert. Zwar wissen wir über den genauen Ort, die Zeit und das Publikum der Aufführung mittelhochdeutscher Sangsprüche in der Regel wenig bis gar nichts, aber allgemeine Rahmenbedingungen lassen sich durchaus benennen. So dürften Vortragsgelegenheiten generell häufig bei höfischen Festen bestanden haben. Sie konnten dort wohl mehr oder minder okkasionell ergriffen werden. Die Zusammensetzung des Publikums war in der Regel eher eine inhomogene, so dass sich Rezipientenerwartungen an den Vortrag vom Sänger nicht sicher kalkulieren ließen.[39] Ganz anders bei den Meistersingern:
[2] Kommunikationspragmatisch betrachtet erscheint der Liedvortrag im Gemerk sehr viel voraussetzungsreicher als der okkasionelle Gesangsvortrag des mittelhochdeutschen Sangspruchdichters ‑ oder systemtheoretisch gesprochen: sehr viel unwahrscheinlicher.[47] Um für die Bindung des Gemerks an ein breites Bündel an externen Voraussetzungen nur noch ein einziges weiteres Detail zu benennen: Die Meistersinger müssen die städtischen Verwaltungen vielerorts regelmäßig um besondere Erlaubnis für das Abhalten einer Singschule bitten. Der Vorzug der solcherart gesteigerten Unwahrscheinlichkeit liegt jedoch in einem stabilisierten, berechenbareren Handlungsrahmen mit Freiraum für genuiner literarische, für "artistische" Interaktionen. Deren textueller Niederschlag durfte dann eher besonderen, eher eigenen, eher literarischen Regeln als Regeln des Alltags folgen, und er musste zunächst unter seinen besonderen Bedingungen rezipiert und verstanden werden. Der Liedvortrag im Gemerk stellt damit ein Phänomen der Literarisierung dar, der Institutionalisierung von Literatur als Literatur, wie sie ‑ zeitgleich ‑ ebenfalls vom hochmodernen Medium des Buchdrucks massiv befördert wird. Das Gemerk also nur als Verlängerung des Mittelalters in die Frühe Neuzeit zu lesen, wäre grundverkehrt: Kommunikationspragmatisch betrachtet handelt es sich vielmehr um ein hochmodernes Phänomen, das im genuin frühneuzeitlichen Wandel prinzipieller Bedingungen für literarische Kommunikation fundiert ist. Im Unterschied zum Buchdruck allerdings, bei dem Literarisierungsphänomene an einen Abschied vom Medium Körper gebunden sind,[48] bewahrt dieser Körper im Gemerk seine alte mittelalterliche Lesbarkeit[49] und seine Potenz zur Herstellung von Präsenz.[50]
[1] Die Entstehung eines derart mit Bedeutung aufgeladenen [siehe oben Abschnitt II] und komplexen [siehe oben Abschnitt III] Geschehens wie des Sängerwettstreits im Gemerk ist mit der Vorstellung seiner Herausbildung in kleinen Schritten, d.h. ohne dass sich wesentliche Zäsuren angeben ließen, nicht zureichend zu erfassen. Die Singschule der Meistersinger muss im Gegenteil irgendwann einmal richtiggehend "erfunden" worden sein.[51] Dann aber liefert der Betrieb einer Singschule in der voll etablierten Form auch das konstitutive Kriterium für den Ansatz der Existenz einer Meistersinger-Gesellschaft. Das so zu betonen ist deshalb nicht überflüssig, weil, was denn eigentlich eine Meistersinger-Gesellschaft ausmacht, auf welcher Merkmalsgrundlage also ihre Existenz angesetzt werden kann, bisher über eine allgemeine Rede vom "institutionalisierten" oder "regulierten" Meistergesang hinaus nirgends expliziert wurde. Antworten wären hier am ehesten von der Seite der Geschichtswissenschaft zu erwarten, doch hat sich diese bisher generell so gut wie gar nicht um die Meistersinger-Gesellschaften gekümmert. Anders sieht es in der Germanistik aus, in der die Erforschung des Meistergesangs eine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition besitzt.[52] Dabei überwiegt jedoch ein literatur- und gattungsgeschichtliches Interesse, so dass die Gesellschaften als solche, als historisches Phänomen von eigener Art, noch keine eingehende Untersuchung erfahren haben. So besteht unter Germanisten einstweilen nur ein unausgesprochener Konsens darüber, was gemeint ist, wenn man von reguliertem oder institutionalisiertem Meistergesang spricht. Jedoch gibt es kein zuverlässiges Verzeichnis der existierenden Gesellschaften, das auf explizierten Kriterien gründete. Das Problem hat schon Archer Taylor 1936 klar gesehen, der einzige, der bisher eine systematische Bibliographie des Meistergesangs vorgelegt hat.[53] In ihr werden lediglich "places, where Meistergesang flourished" (S. 53-59) verzeichnet. Daher enthält sie viele Orte, zu denen Taylor bemerkt, es hätte dort gar kein Singschulbetrieb stattgefunden. Kritische Worte über einen zu leichtfertigen Ansatz von Gesellschaften finden sich auch später noch.[54] Dennoch wartet Nagels Einführung von 1971 immer noch mit einem zu umfangreichen Verzeichnis von Gesellschaften auf,[55] das sich auf einen lockeren Mix von Kriterien gründet. Selbst in der ansonsten fundamentalen Einleitung des Repertoriums finden sich Irrtümer.[56] Bei kritischer Durchsicht ‑ das ist den wenigen Fachforschern im Prinzip allerdings auch bekannt ‑ bleibt von einer stattlichen Städteliste nur ein Bruchteil von Orten übrig, an denen sich Gesellschaften wirklich nachweisen lassen oder ernsthaft zu erwägen sind.
[2] Die nachstehende Handliste zur Topographie des deutschen Meistergesangs verzeichnet alle Städte, die man, mit mehr oder weniger Recht, bisher mit Meistersinger-Gesellschaften in Verbindung gebracht hat. Ausgewertet wurden die Zusammenstellungen von Karl Goedeke (1886), Willibald Nagel (1909), Archer Taylor und Frances Hankemeier Ellis (1936), Bert Nagel (1971) und in der grundlegenden Einleitung des Repertoriums (1994) sowie die Untersuchungen von Brian Taylor zur Tabulatur der Meistersinger (1984), Reinhard Hahns Einführung in den Meistergesang (1985) und sein Überblick über den schlesischen Meistergesang (2000) sowie die Arbeit von Schanze (1983/84).[57] Orte, an denen zweifelsfrei und dauerhafter Gesellschaften existierten, erscheinen gefettet und unterstrichen, Orte, für die die Existenz von dauerhafteren Zusammenschlüssen zu erwägen ist, lediglich unterstrichen, Orte, an denen definitiv keine Gesellschaft bestand, ohne Hervorhebung. Die Literaturnachweise sind zweigeteilt: Unter "Literatur 1" werden die Nennungen in den genannten, systematisch ausgewerteten Beiträgen aufgeführt. Unter "Literatur 2" ist, in knappster Auswahl, die wichtigere grundlegende sowie jüngere Literatur zur entsprechenden Gesellschaft zusammengestellt. Auf eine Nennung bereits über die Verzeichnisse und Bibliographien aus "Literatur 1" zugänglicher Titel ist dabei in der Regel verzichtet. Ein weiterer Abschnitt versucht die Quellenbasis durchsichtiger zu machen. Hier ist unterschieden zwischen unmittelbar auf die Gemerk-Interaktion bezogenen Quellen (Gesellschaftsordnungen: siehe unten bei Augsburg, Breslau, Freiburg, Iglau, Kolmar, Nürnberg, Straßburg, Ulm; Gemerk-Tabulaturen: siehe unten bei Augsburg, Breslau, Brieg?, Iglau, Kolmar, Nürnberg, Steyr, Straßburg, Ulm; Gemerk-Protokolle: siehe unten bei Augsburg, Iglau und Nürnberg; Postenbriefe: siehe unten bei Freiburg, Iglau, Kolmar, Memmingen, Nürnberg, Straßburg, Ulm; Schulzettel: siehe unten bei Freiburg, Nürnberg; Singschul-Requisiten wie z.B. Ketten und Pokale:[58] siehe unten bei Memmingen, Nördlingen, Ulm) und weiteren, weniger formalisierten Quellentypen (v.a. Archivalien/Urkunden, aber auch Berichte von Zeitgenossen z.B. in Chroniken oder Buchvorreden).
Augsburg | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 252f.; Nagel 1909, S. 133-179; Taylor/Ellis 1936, S. 53f.; Nagel 1971, S. 27-30; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 383-388; Taylor 1984, Bd. 1, S. 46f.; Hahn 1985, S. 64f., 94f.; RSM, Bd. 1, S. 4f. Literatur 2: Fritz Schnell: Zur Geschichte der Augsburger Meistersingerschule. Augsburg o.J. [1958] (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg. Schriftenreihe des Stadtarchivs Augsburg 11); Brunner 1975 (siehe oben Anm. 7), S. 14-31; Horst Brunner: Der Augsburger Meistergesang. In: Von der Augsburger Bibelhandschrift zu Bertolt Brecht. Zeugnisse der deutschen Literatur aus der Staats- und Stadtbibliothek und der Universitätsbibliothek Augsburg. Ausstellung der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg in Zusammenarbeit mit der Universität Augsburg anlässlich des Deutschen Germanistentages 1991. Augsburg, 4. Oktober bis 10. November 1991. Hg. von Helmut Gier und Johannes Janota. Weißenhorn 1991, S. 203-208; Die Schulordnung und das Gemerkbuch der Augsburger Meistersinger. Hg. von Horst Brunner, Waltraud Dischner, Eva Klesatschke und Brian Taylor. Tübingen 1991 (Studia Augustana 1). Quellen 1: Gesellschaftsordnung; Gemerk-Tabulatur; Gemerk-Protokolle. Quellen 2: Archivalien/Urkunden; 'Donauwörther Chronik' (siehe oben Anm. 5). |
Basel/CH | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 257 (vgl. auch S. 247); Nagel 1909, S. 121f. (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 54; Nagel 1971, S. 39. |
Bautzen | Literatur 1: Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 2000, S. 77f. Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Biel/CH | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 257 (vgl. auch S. 247). |
Breslau (Wrocław/PL) | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 253; Nagel 1909, S. 116-121 (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 54; Nagel 1971, S. 45f.; Taylor 1984, Bd. 1, S. 44f.; Hahn 1985, S. 72f., 95; RSM, Bd. 1, S. 4f.; Hahn 2000, S. 84-102. Literatur 2: Hellmuth Seidel: Die Meistersingerschule in Breslau. Phil. Diss. (masch.) Breslau 1925; Reinhard Hahn: "Die löbliche Kunst". Studien zu Dichtung und Poetik des späten Meistergesangs am Beispiel Adam Puschmann (1532-1600). Breslau 1984 (Acta Universitatis Wratislaviensis 737; Germanica Wratislaviensia 60); Reinhard Hahn: Die Quellen des Meistergesangs in Breslau (Wrocław). Eine aktuelle Bestandsaufnahme. In: Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte 27 (1984), S. 85-98; Johannes Janota: Adam Puschman. Vom Poeten zum Poetologen. In: Autorentypen. Hg. von Walter Haug und Burghart Wachinger. Tübingen 1991 (Fortuna vitrea 6), S. 144-163.Quellen 1: Gesellschaftsordnung; Gemerk-Tabulatur. Quellen 2: Archivalien/Urkunden; Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Brieg (Brzeg/PL) | Literatur 1: Taylor 1984, S. 12, 22f., 58; Hahn 2000, S. 82f.[59] Quellen 1: Gemerk-Tabulatur (diese nur ein Entwurf?) |
Brtnice/ČR siehe unten Pirnitz | |
Brzeg/PL siehe oben Brieg | |
Coburg | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 247 (vgl. auch S. 260). |
Colmar/F siehe unten Kolmar | |
Danzig (Gdańsk/PL) | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 247; Nagel 1909, S. 121 (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 54; Nagel 1971, S. 19. |
Dinkelsbühl | Literatur 1: Taylor/Ellis 1936, S. 55; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 385. Quellen 2: 'Donauwörther Chronik' (siehe oben Anm. 5). |
Donauwörth | Literatur 1: Nagel 1909, S. 125f.; Taylor/Ellis 1936, S. 55; Nagel 1971, S. 38f.; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 384-388; Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; RSM, Bd. 1, S. 4f. Literatur 2: Franz Ludwig Baumann: Die Meistersänger und ein Volksfest zu Donauwörth. In: Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 3 (1876), S. 108-114; Rosenfeld (siehe oben Anm. 4), S. 699-705. Quellen 2: 'Donauwörther Chronik' (siehe oben Anm. 5). |
Dresden | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 262; Nagel 1909, S. 116 (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 55; Nagel 1971, S. 19.[60] |
Eferding/AU | Literatur 1: Nagel 1909, S. 128; Taylor/Ellis 1936, S. 55; Nagel 1971, S. 43; Taylor 1984, Bd. 1, S. 39; Hahn 1985, S. 69f., 94; RSM, Bd. 1, S. 4f. |
Eisenerz/AU | Literatur 1: Nagel 1909, S. 128f.; Taylor/Ellis 1936, S. 55. |
Esslingen | Literatur 1: Nagel 1909, S. 123 (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 55; Nagel 1971, S. 39; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 385f. Quellen 2: 'Donauwörther Chronik' (siehe oben Anm. 5). |
Frankfurt/Main | Literatur 1: Nagel 1909, S. 114f. (vgl. auch S. 113); Nagel 1971, S. 38.; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 386 Anm. 64; Taylor 1984, Bd. 1, S. 3. |
Freiburg/Breisgau | Literatur 1: Nagel 1909, S. 104-110; Taylor/Ellis 1936, S. 55; Nagel 1971, S. 35f.; Hahn 1985, S. 45f., 93; Taylor 1984, Bd. 1, S. 5, 58. Literatur 2: siehe unten Anhang Nr.3. Quellen 1: Gesellschaftsordnung; Postenbrief; Schulzettel. Quellen 2: Archivalien/Urkunden. |
Friedland | Literatur 1: Taylor/Ellis 1936, S. 55. |
Gdańsk/PL siehe oben Danzig | |
Glatz (Kłodzko/PL) | Literatur 1: Hahn 2000, S. 83.[61] |
Görlitz | Literatur 1: Taylor/Ellis 1936, S. 55; Nagel 1971, S. 23, 39; Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 2000, S. 77f.[62] Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Gross-Meserebach siehe unten Großmeseritsch | |
Großmeseritsch (Velké Meziříčí/ČR) | Literatur 1: Nagel 1909, S. 133; Taylor/Ellis 1936, S. 55. |
Hagenau (Haguenau/F) | Literatur 1: Nagel 1909, S. 122 (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 55; Nagel 1971, S. 35. |
Haguenau/F siehe oben Hagenau | |
Hall/AU | Literatur 1: RSM, Bd. 1, S. 4f.[63] |
Heßen | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 247. |
Hof | Literatur 1: Nagel 1909, S. 122f.; Taylor/Ellis 1936, S. 55. |
Iglau (Jihlava/ČR) | Literatur 1: Nagel 1909, S. 130-133; Taylor/Ellis 1936, S. 55f.; Nagel 1971, S. 43-45, 59f.; Taylor 1984, Bd. 1, S. 42-44 und öfter (vgl. Register); Hahn 1985, S. 70-72, 94f.; RSM, Bd. 1, S. 4f. Literatur 2: Streinz 1958 (siehe oben Anm. 5). Quellen 1: Gesellschaftsordnung, Gemerk-Tabulatur; Gemerk-Protokoll; Postenbrief. Quellen 2: Archivalien/Urkunden. |
Jihlava/ČR siehe oben Iglau | |
Kamenice/ČR siehe unten Kamenitz | |
Kamenz (Kamenice/ČR) | Literatur 1: Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 2000, S. 77f. Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Kempten | Literatur 1: Nagel 1909, S. 126; Taylor/Ellis 1936, S. 56; Nagel 1971, S. 39. Quellen 2: 'Chronik' des Christian Schwarz. |
Kłodzko/PL siehe oben Glatz | |
Kolmar (Colmar/F) | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 263; Nagel 1909, S. 110-113; Taylor/Ellis 1936, S. 54; Nagel 1971, S. 37; Taylor 1984, S. S. 22f. und öfter (vgl. Register); Hahn 1985, S. 47f., 94; RSM, Bd. 1, S. 4f. Literatur 2: Taylor 1976 (siehe oben Anm. 10); Christoph Petzsch: Die Kolmarer Liederhandschrift. Entstehung und Geschichte. München 1978. Quellen 1: Gesellschaftsordnung; Gemerk-Tabulatur; Posten-Brief. Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Lauban (Lubań/PL) | Literatur 1: Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 2000, S. 77f.[64] Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Lubań/PL siehe oben Lauban | |
Leipzig | Literatur 1: Nagel 1909, S. 116 (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 56; Nagel 1971, S. 19. |
Löbau | Literatur 1: Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 2000, S. 77f. Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Löwenberg (Lwówek Śląski/PL) | Literatur 1: Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 2000, S. 77f., 81f. Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Lwówek Śląski/PL siehe oben Löwenberg | |
Mährisch-Schönberg (umperk/ČR) | Literatur 1: Nagel 1909, S. 133; Taylor/Ellis 1936, S. 56; Nagel 1971, S. 40, 43. Quellen 2: 'Handelsbuch' der Iglauer Meistersinger. |
Magdeburg | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 247, 261, 264; Nagel 1909, S. 115f.; Taylor/Ellis 1936, S. 56; Nagel 1971, S. 39; RSM, Bd. 1, S. 4f. |
Mainz | Literatur 1: Nagel 1909, S. 37-49; Taylor/Ellis 1936, S. 56; Nagel 1971, S. 25-27; Hahn 1985, S. 45, 94; RSM Bd. 1 (1994), Bd. 1, S. 4f. Literatur 2: Brunner/Rettelbach 1985 (siehe oben Anm. 28). Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Memmingen | Literatur 1: Nagel 1909, S. 188-198; Taylor-Ellis 1936, S. 56; Nagel 1971, S. 49-52; Taylor 1984, Bd. 1, S. 48-55; Hahn 1985, S. 55, 85-89, 95f.; RSM, Bd. 1 (1994), S. 4f. Literatur 2: Clair Hayden Bell: The Meistersingerschule at Memmingen and its "Kurtze Entwerffung". Berkeley, Los Angeles 1952. Quellen 1: Gemerk-Tabulatur; Postenbrief; Singschul-Requisiten. Quellen 2: Archivalien/Urkunden. |
Moravská Třebová/ČR siehe unten Trübau | |
München | Literatur 1: Nagel 1909, S. 125; Taylor/Ellis 1936, S. 57; Nagel 1971, S. 37f.; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 358. Literatur 2: Christoph Petzsch: Zu Albrecht Lesch, Jörg Schechner und zur Frage der Münchener Meistersingerschule. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 94 (1965), S. 121-138. Quellen 2: 'Donauwörther Chronik' (siehe oben Anm. 5); Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Nördlingen | Literatur 1: Nagel 1909, S. 123f. (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 57; Nagel 1971, S. 37; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 386 Anm. 63; Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 1985, S. 58 (Abbildung). Quellen 1: Singschulrequisiten.[65] Quellen 2: Archivalien/Urkunden; 'Donauwörther Chronik' (siehe oben Anm. 5). |
Nürnberg | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 252; Nagel 1909, S. 49-97; Taylor/Ellis 1936, S. 57; Nagel 1971, S. 30-32; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 381-383 und öfter (vgl. Register); Taylor 1984, Bd. 1, S. 3, 6, 9 und öfter (vgl. Register); Hahn 1985, S. 61-64, 93-95; RSM, Bd. 1, S. 4f. Literatur 2: Stahl 1982 (siehe oben Anm. 8); Merzbacher 1987 (siehe oben Anm. 13). Quellen 1: Gesellschaftsordnung; Gemerk-Tabulatur; Gemerk-Protokolle; Postenbriefe; Schulzettel. Quellen 2: Archivalien/Urkunden; 'Donauwörther Chronik' (siehe oben Anm. 5). |
Olmütz (Olomouc/ČR) | Literatur 1: Nagel 1909, S. 133; Taylor/Ellis 1936, S. 57; Taylor 1984, Bd. 1, S. 58. Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Olomouc/ČR siehe oben Olmütz | |
Pforzheim | Literatur 1: Nagel 1909, S. 122 (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 57; Nagel 1971, S. 19. |
Pirnitz (Brtnice/ČR) | Literatur 1: Nagel 1909, S. 133; Taylor/Ellis 1936, S. 57. |
Ravensburg | Literatur 1: Nagel 1909, S. 125; Taylor/Ellis 1936, S. 57. Quellen 2: Cyriacus Spangenberg, 'Von der Musica und den Meistersängern'.[66] |
Regensburg | Literatur 1: Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 384-386. Quellen 2: 'Donauwörther Chronik' (siehe oben Anm. 5); Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Rothenburg ob der Tauber | Literatur 1: Nagel 1909, S. 125; Taylor/Ellis 1936, S. 58; Nagel 1971, S. 38; Taylor 1984, Bd. 1, S. 58. Quellen 2: Cyriacus Spangenberg, 'Von der Musica und den Meistersängern'.[67] |
Sagan (Żagań/PL) | Literatur 1: Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 2000, S. 77f., 81.[68] Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Schwaz/AU | Literatur 1: Nagel 1909, S. 129f.; Taylor/Ellis 1936, S. 58; Nagel 1971, S. 40f.; Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; RSM, Bd. 1, S. 4f.; Quellen 2: Archivalien/Urkunden; sog. 'Meistersingersaal' (Fresken). |
Schweidnitz (Świdnica/PL) | Literatur 1: Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 2000, S. 77f., 82.[69] Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Speyer | Literatur 1: Nagel 1909, S. 122 (vgl. auch S. 113f.); Taylor/Ellis 1936, S. 58; Nagel 1971, S. 33. |
Steyr/AU | Literatur 1: Nagel 1909, S. 127f. (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 58; Nagel 1971, S. 41f.; Taylor 1984, Bd. 1, S. 26-30, 32 und öfter (vgl. Register); Hahn 1985, S. 69f., 94f.; RSM, Bd. 1, S. 4f. Quellen 1: Gemerk-Tabulatur. Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Strasbourg/F siehe unten Straßburg | |
Straßburg (Strasbourg/F) | Literatur 1: Goedeke 1886, S. 253; Nagel 1909, S. 97-104; Taylor/Ellis 1936, S. 58; Nagel 1971, S. 33-35; Hahn 1985, S. 67-69, 94f.; RSM, Bd. 1, S. 4f. Literatur 2: Walter Blank: Straßburger Meistersang und C. Spangenbergs Traktat 'Von der Musica und den Meistersängern'. In: Alemannica. Landeskundliche Beiträge. Festschrift für Bruno Boesch zum 65. Geburtstag. Bühl 1975 (Alemannisches Jahrbuch 1973/75), S. 355-372; Taylor 1976 (siehe oben Anm. 10); Erich Kleinschmidt: Straßburger Meistergesang 1774. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 131 (2002), S. 213-221. Quellen 1: Gesellschaftsordnung; Gemerk-Tabulatur; Postenbrief. Quellen 2: Archivalien/Urkunden; Cyriacus Spangenberg, 'Von der Musica und den Meistersängern'.[70] |
umperk/ČR siehe oben Mährisch-Schönberg | |
Świdnica/PL siehe oben Schweidnitz | |
Trautenau (Trutnov/ČR) | Literatur 1: Taylor/Ellis 1936, S. 59. |
Třebíč/ČR siehe unten Trebitsch | |
Trebitsch/ČR | Literatur 1: Nagel 1909, S. 133; Taylor/Ellis 1936, S. 59. |
Tribau siehe unten Trübau | |
Trübau (Moravská Třebová/ČR) | Literatur 1: Nagel 1909, S. 133; Taylor/Ellis 1936, S. 59. |
Trutnov/ČR siehe oben Trautenau | |
Ulm | Literatur 1: Nagel 1909, S. 179-188; Taylor/Ellis 1936, S. 59; Nagel 1971, S. 46-48; Schanze 1983/84, Bd. 1, S. 384-386; Taylor 1984, Bd. 1, S. 47f. und öfter (vgl. Register); Hahn 1985, S. 65-67, 93-96; RSM, Bd. 1, S. 4f. Quellen 1: Gesellschaftsordnung; Gemerk-Tabulatur; Postenbrief; Singschul-Requisiten. Quellen 2: Archivalien/Urkunden; 'Donauwörther Chronik' (siehe oben Anm. 5). |
Velké Meziříčí/ČR siehe oben Großmeseritsch | |
Waidhofen an der Ybbs/AU | Literatur 1: Nagel 1909, S. 128; Taylor/Ellis 1936, S. 59; Hahn 1985, S. 69f. |
Weidhofen siehe oben Waidhofen | |
Weißenburg (Wissembourg/F) | Literatur 1: Nagel 1909, S. 122 (vgl. auch S. 113f.); Taylor/Ellis 1936, S. 59; Nagel 1971, S. 35. Quellen 2: Archivalien/Urkunden (‑ so jedenfalls Nagel 1971). |
Wels/AU | Literatur 1: Nagel 1909, S. 127f.; Taylor/Ellis 1936, S. 59; Nagel 1971, S. 42f.; Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 1985, S. 69f., 94; RSM, Bd. 1, S. 4f. Literatur 2: Gilbert Trathnigg: Die Welser Meistersinger-Handschriften. Untersuchungen zum Welser Meistergesang. In: Jahrbuch des Musealvereins Wels 1954, S. 127-180. |
Wien/AU | Literatur 1: Nagel 1909, S. 129 (vgl. auch S. 113); Taylor/Ellis 1936, S. 59. |
Wiener Neustadt/AU | Literatur 1: Taylor/Ellis 1936, S. 59. |
Wissembourg/F siehe oben Weißenburg | |
Worms | Literatur 1: Nagel 1971, S. 33. |
Wrocław/PL siehe oben Breslau | |
Żagań/PL siehe oben Sagan | |
Zittau | Literatur 1: Taylor 1984, Bd. 1, S. 58; Hahn 2000, S 77f. Quellen 2: Widmungsvorrede in Adam Puschmans 'Gründlichem Bericht des deutschen Meistergesangs' (vgl. Taylor 1984, Bd. 1, S. 58). |
Zwickau | Literatur 1: Nagel 1909, S. 116; Nagel 1971, S. 39. |
Abbildung 3: Orte, an denen Meistersinger-Gesellschaften mit regelmäßigem Singschul-Betrieb sicher nachzuweisen sind ‑ nach Hahn 1985 (siehe oben Anm. 4), S. 27 (siehe jedoch oben zu Eferding und Wels). |
[3] Die stattliche Liste von 64 bisher von der Forschung beigebrachten Ortsnennungen lässt sich auf ein gutes Dutzend Städte reduzieren, in denen nachweislich Singschulen etabliert waren (14: Augsburg, Breslau, Donauwörth, Freiburg/Breisgau, Iglau, Kolmar, Mainz, Memmingen, Nördlingen, Nürnberg, Schwaz, Steyr, Straßburg, Ulm).[71] Ihnen an die Seite zu stellen ist ein weiteres gutes Dutzend von Orten, für die die Abhaltung von Singschulen in der oben beschriebenen, komplexen Form zumindest zu erwägen ist (15: Brieg, Dinkelsbühl, Eferding, Eisenerz, Esslingen, Frankfurt/Main, Kempten, Mährisch-Schönberg, Magdeburg, München, Regensburg, Rothenburg ob der Tauber, Weißenburg, Wels, Zwickau). Mehr als diese beiden Bestände zusammengenommen umfasst allerdings die Liste der zu Unrecht für den Meistergesang reklamierten Orte (35). Diese Aufschwellung hat verschiedene Gründe, von denen zwei besonders "produktiv" waren. Einmal wurde öfter zu wenig bedacht, dass mehr oder minder zeitgenössische Städtelisten oder Nennungen von Orten nicht auf das Erkenntnisinteresse neuzeitlicher Germanisten und Historiker zugeschnitten sind und folglich auch nicht modernen analytischen Ansprüchen gehorchen, sondern zunächst in ihrer eigenen Zeit eine Funktion erfüllen. Der Katalog der Städte, denen Puschman seinen 'Gründlichen Bericht' widmet, weil in ihnen der Meistergesang in Ansehen stünde, dient in erster Linie dazu, die vermeintliche große Verbreitung des Meistergesangs herauszustellen und damit den eigenen Bemühungen Puschmans Geltung zu verschaffen.[72] Vergleichbares gilt für den Katalog der Ortsnamen in einem Meisterlied von 1597 aus Straßburg und den Memminger Lobspruch Michael Schuesters von 1626.[73] Freier von solchen Legitimationsversuchen und -zwängen erscheinen Berichte von Außenstehenden ‑ und besonders dann als Zeugnis wirklich belastbar, wenn sie, wie die 'Donauwörther Chronik', sehr ins Detail gehen und die Gemerk-Interaktion beinahe akribisch schildern. Aber auch die 'Chronik' kann nur für die Donauwörther Verhältnisse wirklich zweifelsfrei in Anspruch genommen werden, für die Augenzeugenschaft behauptet wird, nicht aber für alle übrigen dort genannten Städte (mögen in ihnen teilweise auch wirklich Gesellschaften bestanden haben): Vielleicht hat ja der Lokalchronist mit seinem Verweis auf weitere Orte, an denen wie in Donauwörth Meistergesang betrieben wurde, auch die Gelegenheit genutzt, Donauwörth gleichsam als "Stadt von Welt" und auf der Höhe der Zeit zu profilieren?[74] Zum zweiten reichte älterer Forschung öfter auch schon die Herkunft oder der Sitz eines Verfassers von Meisterlieder in einer Stadt, um diese unter die Pflegestätten des Meistergesangs einzureihen (wobei es sich bei der fraglichen Liedproduktion manchmal gar nicht einmal um ein Meisterlied handelte),[75] oder ihr Besuch durch einen nachgewiesenen Meistersinger oder der Druck eines Meisterliedes in einer lokalen Offizin. Sicherheit gerade in den "fraglichen" Fällen lässt sich erst unter Einbeziehung auch aller einschlägigen nicht-literarischen, d.h. archivalischen Quellen gewinnen. Eine systematische Erfassung und Auswertung dieser Quellen würde dann die mit dem Repertorium bereits geleistete systematische Erhebung der Liedüberlieferung sinnvoll ergänzen. Zum Beispiel träten erst so neben den Liedautoren dann die lediglich reproduktiv tätigen Sänger deutlicher hervor[76] und dazu die stillen Förderer und Mitglieder der Gesellschaften. Erst mit diesen aber würde die ganze Breite der Verankerung der Gesellschaften in der Gemeinschaft der Stadtbürger sichtbar. Eine solche Untersuchung stellt allerdings noch immer ein Desiderat dar und ist selbst für die bekannten Gesellschaften bisher nur in Ausschnitten geleistet.[77]
[4] Im Hinblick speziell auf die Frage der Herausbildung und Verbreitung der Gesellschaften darf es freilich keinesfalls das primäre Ziel eines solchen Unterfangens sein, lediglich einen Kernbestand von Gesellschaften möglichst sicher umreißen und weiteren Einblick in ihre innere Organisation gewinnen zu wollen und nicht vergleichbar fest etablierte Sängergemeinschaften nur noch "auszusondern". Denn das Vorhaben hätte über den speziellen Fall der Meistersinger-Gesellschaften hinausreichenden Wert nur dann, wenn man es unter einer weiter gespannten Leitfrage anginge: Unter welchen Bedingungen konnten in der Frühen Neuzeit überhaupt Menschen sich in eigenen Gruppen organisieren, die sich nicht primär aus traditionell bestehenden institutionellen Strukturen (der Kirche, der Zünfte, der Landesherrschaft oder des Stadtregiments) ableiteten und "lediglich" im Kontext der Intensivierung von Herrschaft, der weitergehenden Kontrolle und Disziplinierung der Untertanen standen, sondern die diese Menschen aus ihrer eigenen Mitte heraus gebildet haben? Was charakterisiert Organisationsformen überhaupt, die nicht von "oben nach unten" (per Beschluss, Erlass, Gesetz) eingerichtet, gefestigt und ausgeweitet wurden, sondern die "von unten nach oben" entstehen? So betrachtet hält der organisatorische, pragmatische und mediale Voraussetzungsreichtum einer mit regulären Wettstreit-Veranstaltungen voll etablierten Meistersinger-Gesellschaft besondere Erkenntnischancen auch für Zeiten und Räume bereit, in denen ein solcher Organisationsgrad nicht erreicht wurde. Es lassen sich nämlich gerade mithilfe einer detaillierten Analyse der voll etablierten Gesellschaften auch für weniger etablierte Zusammenkünfte und Gruppenbildungen dann differenzierter die Grade ihrer Institutionalisierung angeben, überhaupt Etablierungsstufen präziser skalieren und für sie Rahmenbedingungen differenzierter beschreiben, unter denen bestimmte Stufen der Verfestigung von Vortragssituationen und an ihnen beteiligter Gruppen überhaupt erreicht werden konnten. In diesem weiterreichenden Horizont könnte einer konzeptuellen Modellierung der Meistersinger-Gesellschaften eben wegen ihrer komplizierten und weit zurückreichenden Vorgeschichte und eben wegen des breiten Grenzsaums der weniger etablierter Gesellschaften, der den festen Bestandskern umgibt, durchaus Vorbildcharakter für Untersuchungen zur Herausbildung auch anderer frühneuzeitlicher Gemeinschaften zuwachsen.
[1] Nicht in allen Details, aber doch in Grundzügen sind wir über die Organisation der etablierten Meistersinger-Gesellschaften gut unterrichtet. Ihre zeitliche Verbreitung erstreckt sich vom ausgehenden 15. Jahrhundert bis ins 17., teilweise noch bis ins 18. Jahrhundert, ihre räumliche Verbreitung im Kern auf den süddeutschen Sprachraum. Ihre Träger waren ganz überwiegend erstens Stadtbewohner und zweitens Handwerker der Unter- und Mittelschicht.[78] Mit Ausnahmen ist zwar zu rechnen, doch bestätigen diese lediglich die Regel. Adelige Träger bleiben ebenso vereinzelt ‑ am Hof findet die Sangspruchtradition spätestens seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert keine Heimat mehr[79] ‑ wie akademisch ausgebildete, gelehrte Mitglieder (Geistliche, Juristen, Lehrer): Aus diesem Kreis hatte man eher Spott statt Unterstützung zu erwarten. Auch die patrizische Oberschicht der Stadt sowie die literarisch ambitioniertere Welt[80] nimmt weithin keinen Anteil. Die Handschriften- (weit über 100) und Liedproduktion der Meistersinger ist beachtlich - über 12000 nach der Reformation, darunter jedoch allein von dem Nürnberger Hans Sachs etwa 4300 und dem Nürnberger Magister (!) Ambrosius Metzger[81] (1573-1632) über 3000. Die ideale Zweckbestimmung letzterer ist die Aufführung im Gemerk, die sie aber durchaus nicht immer erreichen wollen.[82] Für die Aufführungen verfügte man in der Regel über kein eigenes Haus, sondern griff auf vorhandene Örtlichkeiten zurück. Überwiegend fanden sie in Kirchen,[83] aber auch in Gaststätten statt,[84] zumeist unterschieden nach dem Typ der Gesangsveranstaltung. Für Nürnberg lassen sich Freisingen, Hauptsingen und Zechsingen auseinanderhalten. Das Freisingen hatte seinen regulären Platz vor dem geistlichen Hauptsingen, war öffentlich und wurde nicht bewertet, auch nicht in den Protokollbüchern vermerkt und stand vorzugsweise Liedern mit weltlicher Thematik offen. Vornehmlicher Gegenstand des von den Merkern dann bewerteten und auch in den Protokollbüchern geführten Hauptsingen waren hingegen geistliche Themen, wobei ein Schwerpunkt ‑ zumal nach der von Hans Sachs beförderten Neuausrichtung des Meistergesangs an den Leitgedanken der Reformation[85] ‑ auf der Versifikation biblischer Stoffe lag. Das sogenannte Zechsingen war eine geschlossene Veranstaltung, die im nicht-öffentlichen Kreise und gerne in Wirtstuben stattfand. Die in Nürnberg mit dieser Dreiteilung erreichte, besonders hohe Ausdifferenzierung zeigt einen Etablierungsgrad an, der sowenig auf andere Gesellschaften übertragen werden darf wie die zeitliche Dichte der Nürnberger Konzerte von durchschnittlich 15 Aufführungen pro Jahr.[86] Stichproben in den Rechnungsbücher der Freiburger Meistersinger belegen nur zwei bis drei Veranstaltungen jährlich, die regelmäßig an höchsten geistlichen Festtagen, nämlich an Pfingsten und zu Weihnachten stattfanden und nur manchmal auch zu Ostern, wobei auffälligerweise im ältesten Rechnungsbuch zum Ostertermin 1578 aber nur ein Singen der Gesellen und nicht der Meister vermerkt wird. Dieses fand zudem statt in der repräsentativeren, öffentlichen Umgebung der Kirche lediglich vff beden stuben statt.[87]
[2] Die Freiburger Unterscheidung von Meistern und Gesellen führt auf die Frage nach der inneren Gliederung der Gesellschaften. Denn ob "Meister" in den Quellen immer nur den Kunstmeister und nicht auch den Berufs- oder Handwerksmeister meint und "Geselle" nur den Gesellen in Fragen der Kunst oder auch den Handwerksgesellen, das ist nicht immer eindeutig und kann nur von Fall zu Fall geklärt werden.[88] Dahinter steht letztlich jedoch die übergeordnete Frage, ob es eine stabile und allein gesellschaftsintern gültige Zuschreibung von Kompetenz und Prestige gab, die unabhängig vom außergesellschaftlichen Status der Person Anwendung fand: wie sich also gesellschaftsinterner und gesellschaftsexterner Status einer Person zueinander verhalten. In Nürnberg bildeten die zwölf ältesten Sänger den Kern der Gesellschaft, und ihr Vorstand waren drei gewählte Merker, deren jüngster zugleich als Schriftführer fungierte. Ihnen traten zwei "Büchsenmeister", d.h. Kassierer, an die Seite, die für jährlich abzugebende Rechenschaftsberichte über die Finanzen der Gesellschaft zuständig waren. Alle mussten Mitgliedbeiträge zahlen. Der Vorstand wurde einmal jährlich gewählt, und einmal jährlich wurden auch Neuaufnahmen, die ihre Kunst-Kompetenz durch Probevorträge auszuweisen hatten, vollzogen. Die Freiburger Rechenschaftsberichte bezeugen wiederum nur eine geringere Differenzierung, nämlich allein einen sogenannten Bruderschaftsmeister, der der Gesellschaft vorstand und der in Personalunion die Funktion des Büchsenmeisters versah, d.h. die Finanzen zu kontrollieren hatte. Darüber legte er der Gesellschaft zudem nicht jährlich, sondern nur alle drei bis fünf Jahre in schriftlicher Form Rechnung ab. Auch wird von Wahlen nichts berichtet, doch mussten die Freiburger Mitglieder ebenfalls eine Aufnahmegebühr (und jährlich eine Mitgliedsgebühr?) bezahlen. Welche weitergehenden Rechte und Pflichten sich aus der Gebühr im Detail ableiteten, müsste einmal in der Breite untersucht werden: ob sie etwa die Mitgliedschaft zu Teilnahmen verpflichtete oder gar zum Gesangsvortrag und/oder eigener Produktion. Grundsätzlich jedenfalls wird, trotz dem prinzipiellen Auseinandertreten von sozialem und literarischem Ereignis im Gemerk (siehe oben Abschnitt III), das Ansehen eines Gesellschaftsmitgliedes innerhalb der Gesellschaft sich kombiniert aufgebaut haben: ebenso aus seinem Ansehen als "Artist" wie aus seinem sozialen Prestige. Auf letzteres wird in begrenztem Umfang dann das Ansehen als "Artist" sicher auch zurückgewirkt haben. Die prinzipiell vorhandene Möglichkeit, im Gemerk als Freiraum literarischer Interaktion allein als Künstler wahrgenommen und nach einem eigenen, artistischen Bewertungssystem akzeptiert zu werden, impliziert ja nicht zwangsläufig, dass der dort erworbene Status über den aktuellen Vortrag hinaus Geltung besäße. Auch in Schützenvereinen des 21. Jahrhunderts wird keineswegs immer der beste Schütze "König". Diese Entscheidung fällt, da sich das Königsamt mit gesellschaftlichen Pflichten verbindet, vielmehr immer auch in Rücksicht auf die finanzielle Leistungskraft des Teilnehmer und weitere, oft diffuse Faktoren. Daher überschneiden sich Reputation innerhalb der Gesellschaft qua Amt als Bruderschaftsmeister und außergesellschaftliche Einflüsse auch in dem Freiburger Eintrag für 1579, in dem die Kosten für die Bewirtung des Jörg Kruß durch den Bruderschaftsmeister in Rechnung gestellt werden. Diese Bewirtung war auf Weisung des Hans Daner erfolgt.[89] Wiewohl Bruderschaftsmeister, war Hans Schultheiß also in seinen das Gesellschaftsleben betreffenden Entscheidungen keinesfalls autonom, sondern hatte immer noch Empfehlungen anderer zu folgen. Ein zweiter Beleg für diesen Hans Daner, der in keinem der erhaltenen Rechenschaftsberichte als Bruderschaftsmeister auftritt, weist diesen nun als eine Figur von wohl herausgehobener Stellung aus. Daner ist nämlich einer der beiden senger von Friburg, die den Kolmarer Kollegen 1549 eine von Hans Sachs selbst geschriebene Handschrift mit Meisterliedern aus ihrem Besitz zur Ausleihe überbringen: Dise vorgeschribnenn lieder hab ich - so teilt Jörk Wickram (um 1505-vor 1562) in einer Notiz auf Bl. 53r des Cgm 4998 der Bayerischen Staatsbibliothek München mit - allesamenn geschribenn uß einem büchlin, So mir vnd der geselschaft zuogestandenn ist vnd geluhenn von Klauß Gruobenn vnd Hansenn Tanner, beid senger vonn Friburg, vnd hab eß also gar außgeschribenn vnd vollendet by lauter nacht vnd ann feürtagenn vff den 29 Augusti. Eß hat auch gemeltes büchlin ans Sax vonn Nürenberg mit seiner eigen hand geschriebenn, der zit gedicht, wie verzeichnet ein jdes lied mit seiner zifer stat. Laus deo.[90] 1579, also dreißig Jahre später, dürfte Daners Reputation sich nicht nur aus Verdiensten in der Vergangenheit, sondern auch aus seiner langjährigen Mitgliedschaft und wohl auch aus seinem annähernd biblischen Alter gespeist haben. Die institutionalisierte ‑ und zumal, wenn der Vorsitzende in Freiburg wie in Nürnberg durch Wahl ins Amt kam, relativ flache ‑ interne Hierarchie der Freiburger Gesellschaft wird also durchkreuzt von weiteren Hierarchien, die heute sehr viel schwerer zu greifen sind als die in der offiziellen Schriftlichkeit, etwa der des Freiburger Gründungsbriefs, dekretierten.[91] Für die neue Währung sozialen Kapitals, die mit den Meistersinger-Gesellschaften in Umlauf kommt, kann man sich sozusagen nur unmittelbar im Gemerk selbst etwas kaufen: Sobald der Sänger den Singstuhl verlässt, sind bereits unter den Mitgliedern seiner eigenen Meistersinger-Gesellschaft noch andere Währungen in Umlauf, die dann kompliziertere Tauschgeschäften erfordern.
[1] Die deutschen Meistersinger-Gesellschaften sind wegen ihrer Verankerung in der älteren deutschen Literatur und der Aufnahme dieser Voraussetzungen, die zur Entstehung des Gemerks führt, gewiss ein spezieller Fall. Eine unvergleichliche Abstrusität sind sie deshalb aber nicht. Denn dass soziale Schichten, die der "Literatur" im engeren Sinne bisher fernstanden, als ihre neue Trägergruppe in Erscheinung treten, lässt sich seit dem Spätmittelalter auch andernorts in Europa beobachten. Vor allem auf die niederländischen Rederijkers hat man im Zusammenhang mit dem Meistergesang von germanistischer Seite bereits hingewiesen sowie auf die nordfranzösischen Puys[92] und dazu die Companhia de gay saber in Toulouse[93]. Von keiner dieser Seiten her sind direkte Verbindungen zum Meistergesang bekannt - und sie sind auch ganz unwahrscheinlich. Gegenseitige Einflüsse würden nämlich eine europaweite Vernetzung voraussetzen, wie man sie für die frühneuzeitliche res publica litteraria[94] etwa belegen kann. Deren gelehrte "Mitglieder" konnten sich aber der lingua franca des Lateinischen zu übergreifender Verständigung bedienen, während die Meistersinger ganz an die Volkssprache gebunden bleiben. Ferner sind Praxis und Ideal der Gelehrtenrepublik nicht ohne das neue, raumübergreifende Medium des Buchdrucks zu denken. Dagegen bleiben die kommunikativen Instrumente der Handwerker allzu begrenzt, bleibt bereits die Verbreitung ihrer "Kunst" innerhalb des deutschen Sprachraums wesentlich an die Körper ihrer Vertreter gebunden. So hat die traditionelle Einrichtung der Gesellenwanderung unter den Handwerkern die Dissemination ihrer neuen Kunst wesentlich mitgetragen. Von einzelnen Meistersingern lassen sich regelrechte Itinerare aufstellen. Nicht zu übersehen ist in diesem Zusammenhang die Bindung einzelner Gesellschaften an das Engagement einzelner Personen. Die Kolmarer Gesellschaft scheint sich nach dem Fortgang ihres Initiators Georg Wickram schon bald wieder aufgelöst zu haben.[95] Und kaum eine Gesellschaft wartet nicht mit einem "berühmtesten" Mitglied auf, das für ihre Geschichte besonders wichtig war. Der Name des Hans Sachs etwa verbindet sich mit wichtigen Abschnitten der Frühzeit der Nürnberger Gesellschaft; Adam Puschman ist eine zentrale Gestalt in Breslau; auf den Schulmeister Johann Suppius führen die Memminger ihre Gründung zurück. Eine Folge dieser eng an einzelne Personen gebundenen Verbreitung (und damit an einen jeweils individuellen, begrenzten Kenntnisstand vom Meistergesang insgesamt) sind die oft sehr engen textuellen Abhängigkeiten, die zwischen den tragenden präskriptiven Dokumenten der einzelnen Gesellschaften wie Schulordungen und Tabulaturen bestehen.[96]
[2] Auf europäischer Ebene sind Parallelen allein in grundlegenden Strukturen zu suchen, die sich unter vergleichbaren ökonomisch-sozialen, medialen und literarischen Bedingungen herausgebildet haben:
Die deutschen Meistersinger-Gesellschaften der Frühen Neuzeit boten ihren Mitgliedern neue Gelegenheiten zur Freizeitbeschäftigung und zu literarischer Unterhaltung und zur eigenen "Weiterbildung". Sie fungierten als Forum für den Erwerb sozialer Anerkennung in der eigenen sozialen Gruppe und ermöglichten ihren Mitgliedern, an der Gestaltung städtischen Gemeinschaftslebens teilzunehmen - meist freilich nur begrenzt, weil die Meistersinger von der städtischen Obrigkeit mehr behindert als unterstützt wurden. Nicht zuletzt waren sie Ort und Medium der Vorsorge für das eigene geistliche Heil. In welchem Verhältnis zueinander diese verschiedenen Antriebskräfte stehen - in den zurückliegenden Jahren ist einseitig vor allem der Aspekt des Bildungserwerbs betont worden - lässt sich zuverlässig nur im breiter angelegten komparatistischen Zugriff, lässt sich nur im Vergleich mit im Ansatz ähnlich strukturierten "literarischen Gesellschaften" des übrigen Europa ermitteln.
Herr Dr. Ulrich Ecker, Stadtarchiv Freiburg, war mir bei der Erschließung der nachstehenden Materialien eine wertvolle Hilfe. Dafür möchte ich ihm auch an dieser Stelle herzlich danken.
- Nr.1 (11.5.1513) | Stiftungsbrief (siehe oben Anm. 1) |
- Nr.2 (1513?) | Anschlagplakat einer Singschule (siehe oben Anm. 42) |
- Nr.3 (13.5.1513) | Urkunde über die Überschreibung eines Zinsertrags aus Privatbesitz an die Gesellschaft | >
- Nr.4 (28.11.1581) | wie Nr.3 |
- Nr.5 (um 1600) | Fragment eines Theaterstücks über ein alttestamentarisches Thema (Protagonisten: Simon und Dathan, 11 Textzeilen) |
- Nr.6 (15.11.1609) | wie Nr.3 |
- Nr.7 (1630) | Blatt mit Ankündigung einer Singschule (siehe oben Anm. 40) |
- Nr.8 (16.11.1669) | wie Nr.3 |
- Nr.1 (ohne Datierung [16. Jh.]) = Bl. 1-3 | Entwurf des Stiftungsbriefes von 1513 (siehe oben Anm. 1) |
- Nr.2 (ohne Datierung [16. Jh.]) = Bl. 4-5 | Verzeichnis von Bibelstellen mit kurzen Paraphrasen (Bl. 4rv)[99] sowie (Bl. 5r) einige Namen von Sangspruchdichtern (in deren Tönen Meisterlieder gedichtet und/oder vorgetragen wurden oder werden sollten?)[100] |
- Nr.3 (1593) = Bl. 6 | Schreiben an den Rat der Stadt, eine Aufführung einer Comedi betreffend (Abdruck: Schreiber 1827 [siehe oben Anm. 1], S. 204f.) |
- Nr.4 (1653) = Bl. 7 | Abschrift/Kopie einer sogenannten Ratserkenntnis, d.h. eines Ratsbeschlusses, der die Übergabe des werckh wegen deß meistergesangs der hyligen dreyfaltigkheith an die Zunftmeister Balthasar Zienast und Philipp Geisser betrifft |
- Nr.5 (1651-68) = Bl. 8-16 | zwei Besitzstandsverzeichnisse der Meistersinger (teilweise abgedruckt bei Schreiber 1827 [siehe oben Anm. 1], S. 209) und verschiedene Abschriften von Beschlüssen des Rates, die den Verlust der silbernen Krone der Gesellschaft betreffen, die ersetzt werden müsse[101] |
- Nr.6 (1575-1670) = Bl. 17-73 | Rechenschaftsberichte der Bruderschaftsmeister zu den Ein- und Ausgaben der Gesellschaft |
- - Nr.6.1 (1665) = Bl. 17 | Pfandbrief (?) |
- - Nr.6.2 (1575-80) = Bl. 18-23 | Rechenschaftsbericht des Hans Schultheiß für den Zeitraum 1575-80 |
- - Nr.6.3 (1610-13) = Bl. 24-31 | - des Valentin Schnepp für den Zeitraum 12.12.1610-15.12.1613 |
- - Nr.6.4 (1613-15) = Bl. 32-39 | - des Martin Hoffmeier für den Zeitraum 22.12.1613-28.6.1615 |
- - Nr.6.5 (1615-18) = Bl. 40-47 | - des Hans Über für den Zeitraum 1615-18 |
- - Nr.6.6 (1624) = Bl. 48-58 | - des Jakob Brenzler (?) für den Zeitraum 1619-24 |
- - Nr.6.7 (1627) = Bl. 59-66 | - für den Zeitraum 1624-27 |
- - Nr.6.8 (1630) = Bl. 67-68 | - für den Zeitraum 1630-32 |
- - Nr.6.9 (1670) = Bl. 69-72 | - für den Zeitraum 1667-74 |
- - Nr.6.10 (ohne Datierung [2. H. 17. Jh.]) = Bl. 73 | Zusatzblatt zum Rechenschaftsbericht für den Zeitraum 1667-74 |
Die Orthographie des Originals ist beibehalten. Nur Eigennamen werden im folgenden stets groß geschrieben. Zwecks besserer Lesbarkeit sind zudem Zeilenfall und Absatzgliederung verändert und wurde eine moderne Interpunktion eingesetzt.
Rechnung Mein Hans Schultheis vir alles mein Jn Nemen Vnd ausgeben den Meistersinge<rn> zuo gehörig von anno 75 biß auch anno 80 Ein- vnd ausgeschlosen | |
[18v] Jn Nom an Zinß |
|
Jtem auff den tag, als man mir ale ding jberantwort hat, on den zins brieff jber 60 guldin vff Jerg Krausen Zur Grossen Scheren, do hat mir der alt bruderschafft Meister Hermannus Rid an barem gelt jn der bixen jberantwort, thut: |
ij gulden vj ß x d |
Jtem mer von Veltin Schwartzen empfangen, den 75 zins, thut: | ij gulden |
Jtem mer von herrn Hans Jerg Hauser Empfangen, den 76 Zins, vff Johanij verfallen, thut: | iij gulden |
Jtem mer Empfangen von Veltin Schwartzen, den 76 zins, thut: | ij gulden |
Jtem mer von herrn Hans Jerg Hauser Empfangen, den 77 zins, thut: | iij gulden |
Lateris: xij gulden vi ß x d |
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[19r] Jn Nom an Zinß |
|
Jtem mer zalt Veltin Schwartz, den 77 zins, vff bartolomey ver vallen, thut: | ij gulden |
Jtem mer Empfangen von Junckher Adam von Schwalbach, den zins vff Johanj 78, thut: | iij gulden |
Jtem mer von Veltin Schwartzen empfangen, den 78 zins vff bartolomey, thut: | ij gulden |
Jtem mör Empfangen Ein Zins von Jerg Krausen, vff vartolomey vervallen, thut: | 3 gulden |
Jtem mör Ein Zins Empfangen Von Veltin Schwartzen, vervallen thut im 79 jar: | ij gulden |
Jtem mer Empfangen von Michel Vusel, Das jm Ein briester zuo Sant Petter vss dem Schwartzwald geben zuo versingen, thut: | iij ß |
Jtem mer Von M Jacob Felgener Empfangen, thut: | iij ß 4 d |
Jtem von Simon dem Eisen Empfangen, thut: | ij ß vj d |
Summa Lateris: xij gulden viij ß x d |
|
[19v] Jn Nom an gelt |
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Jtem mör von Jsaac Zidler Empfangen, thut: | j ß 8 d |
Jtem mer, kaufft die bruderschafft Adrian Golt, thut: | j ß |
Jtem mer von Cunrat Martten: | j ß |
Jtem mer, kaufft die bruderschafft Matis Bentz, thut: | j ß |
Jtem mer, kaufft die bruderschafft Cristoffel von Nier, ein waffen schmit, thut: | j ß |
Jtem mer, kaufft die bruderschafft Nicklaus Kemmerer, balierer, thut: | j ß |
Jtem mer, kaufft die bruderschafft Bott Fige, ein haffner gsel, thut: | j ß |
Lateris: vij ß viij d |
|
Summa ales mein jnemen ist zusamen: |
xxv gulden x ß x d |
[20r] Nun volgt die vß gob |
|
Jtem herrn Hans Jsenring anno 75 geben, thut: | iij gulden |
Jtem als wir zum Selben mol Sing schul vff winacht gehalten, vm krantz vnd babir und laden zu der Cron, thut: | ij ß vi d |
Jtem vir Veltin Schwartzen dis oben, jtem als er den zins bracht hat, thut: | x d |
Jtem mer vß geben, von der mess dem briester, thut: | j ß vj d |
Jtem mer auß geben, Als die Meister von Colmar hie sind gewest vff der schul ein gantzen gulden, vnd 15 batzen jn gaben jn geschlosen, thut: | ij gulden |
Jtem mer um crantz vnd babir. | ij ß iiij d |
Jtem vm j mas win vnd molt scheren dem stuben knecht zalt, thut: | viij ß |
Jtem mer, zalt jch Petter Mayer vir zwey Mol die singer zum Rapen zu gast gehalten, die von Colmar, thut: | iij gulden und viij ß |
Summa Lateris: viiij gulden ij ß 6 d |
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[20v] Vß gob |
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Jtem mer vs geben zu winachten jm 76 jar vff die schul, thut: | j gulden |
Jtem als man zu pfingsten mit gesungen hat, wie die meister zu Colmar sind gewest, haben die briester auch mess gehalten, vnd vir das mol zu winachten dem pfarher, zalt: | iij ß |
Jtem mer vir crantz vnd babir, zalt: | ij ß vi d |
Jtem von der stuben zu wermen zalt jch Dem stuben knecht: | v ß |
Jtem als wir zu osteren jm 77 jor schul gehalten, vff die schul geben, thut: | x ß |
Jtem vm krantz vnd babir vß geben: | ij ß iiij d |
Jtem mer zu pfingsten jm 77 jor schul gehalten, herr Fridlin Blejweiser zu gast gehalten und herrn Jeronimus Faßen, priester, vnd vir Melcher Retz; thut jedem j ß iiij d, macht die drej: | iiij ß |
Jtem dem briester von der meß zu lessen, thut: | j ß vj d |
Lateris: iij gulden iij ß iiij d |
|
[21r] Vß gob |
|
Jtem vff winachten jm 77 jar vff die schul geben, thut: | x ß |
Jtem dem briester von der meß zu lesen: | j ß iij d |
Jtem dem bruder zum Heilgen Creitz, als er zu alder dient, geben | v d |
Jtem dem bleser vff dem thurm, das er dem Meister das gut jar bloasen hat, geben | x d |
Jtem von der stuben zu wermen: | iij ß |
Jtem vir krantz vnd babir vß geben: | ij ß iiij d |
Jtem mer vff das jar 78, als wir vff beden stuben ein geselen Singen gehalten zu osteren, dem stuben knecht Zum Roß geben us geheis Hermannus Rid, thut: | j ß v d |
Jtem vm krantz vnd babir geben | ij ß |
Lateris: j gulden viiij ß |
|
[21v] Vß gob |
|
Jtem als man vff pfingsten anno 78 schul gehalten, dem pfarher von der mess zu lessen geben, thut: | j ß vj d |
Jtem mer zum Selben mol, Alß mir Zum Storchen zum geßen 5 singer wiber zu gast gehalten, thut: | j gulden |
Jtem mer, nach der siten 2 firtel win zalt, thut: | vj ß viij d |
Jtem mer, Vir krantz vnd babir zalt ich, thut: | ij ß iiij d |
Jtem vff winachten anno 78, als mir Sing schul gehalten, vm krantz vnd babir geben: | ij ß iiij d |
Jtem dem pfarher, von der meß zu lessen, zalt: | j ß vi d |
Jtem zum selben mol Zum Storchen zinns gessen am dag Steffanj, als die weiber do sind gewest, zalt jch dem wirt, thut: | j gulden vij ß |
Lateris: iij gulden viiij ß iiij d |
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[22r] Vß geben |
|
Jtem auff Marie Heim Suchung jm 79 jor, als Jerg Kruß den zins bracht, Vf geheis Hans Daners jn zu gast gehabt, thut: | j ß viij d |
Jtem als jch vff winachten jm 79 jar schul gehalten, vff die schul geben: | x ß |
Jtem vm krantz und babir: | ij ß vj d |
Jtem von der Mess zu leßen: | j ß vj d |
Jtem von der stuben zu wermen dem stuben knecht zalt: | v ß |
Jtem als der fremdt Singer vff Jnvocavit Zum Roß, den zu gast gehabt, thut: | j ß iiij d |
Jtem vm zuo maß wein zalt jch dem stuben knecht: | ij ß ij d |
Jtem vm krantz vnd babir, thut: | ij ß ij d |
Jtem dem stuben knecht zum drinck gelt geben: | j ß |
Lateris: ij gulden iij ß j d |
|
[22v] Vß geben |
|
Jtem Als ich auff Pfinsten jm 80 jor schul gehalten, vff der schul vm j maß win, thut: | j ß |
und multscheren: | 2 d |
Jtem dem herr pfarer von der mes zu leßen, thut: | 1 ß vj d |
Jtem vm krantz vnd babir: | ij ß |
Jtem als wir Zum Storchen die singer weiber beij vns gehabt, vs geben dem wirt: | ij gulden vj ß |
[gestrichen:] Lateris: ij gulden x ß viij d |
|
[ab hier Nachtrag von späterer Hand] Jtem als wir anno 80 vff winachten schul gehalten und zum selben mol mit vin goben gesungen, hab jch vm krantz vnd babir geben, thut: |
2 ß 8 d |
vnd Zum Monen vm win vei<...> | 2 ß |
Jtem von dem trog, in der Kilchen zu öffnen, dem schlosser: | 4 d |
Jtem von der mess vnd dem bruder zum Heligen Creitz vss geben, thut: | j ß 10 d |
Lateris: iij gulden v ß |
|
[23r] So nun Jnom vnd vss gob gegen ein ander verrechnet vnd ab getzogen wirt, befind sich mer jn genomen dan vss geben vnd blib jch der bruderschafft noch schuldig wie volgt Namlich: |
viij gulden |
Doran liffer jch an Exstantzen Vff Veltin Schwartzen den 80 zins vff Bartolomey ver Vallen, thut: | ij gulden |
Jtem mer Vff Jerg Kraußen den 80 zins vff dem hauß Zur Großen Scheren, thut: | 3 gulden |
[ab hier Federwechsel:] Jttem jch Hans Schultheis hab den briederen rechnung geben vnd hab dem neuen bruoderschaft meister yber lifert an zins vnd parem gelt: | 7 gulden 1 ß 7 d |
beschehen an sant Johanes Ewangelisten tag jm 1580 jar | |
[23v] Jtem So nun jnemen vnd vss geben gegen Ein ander ab zogen vnd verglichen wirt, So beffind sich Mer jn genomen dan Vss geben Vnd blib jch der bruderschafft schuldig wie volgt: |
2 gulden 3 ß 6 d |
Die hab jch jn bey Sein Hans Daner, Hermannus Rid, Adrian Golden, Matis Bentz vnd Nicklaus Kamerer vff Sant Johanes Ewangeliste jm 1580 jor betzalt vff beckhen stuben | |
Jtem mer hab jch jn geliffert an Exstantzen vff Veltin Schwartzen: | 2 gulden |
vnd auff dem haus Zur Scheren: | 2 gulden |
und: | 7 ß 2 d |
Vnd end sich diese fünff Jerige Rechnung. |
[1] Die Gründungsurkunde der Freiburger Meistersinger wird im Freiburger Stadtarchiv als Nr.1 in der Sammelmappe "Urkundenbestand A 1 XIIIf, Nr.1-8" aufbewahrt, die alle erhaltenen Urkunden zum Freiburger Meistergesang enthält. Ein erster vollständiger Abdruck der Gründungsurkunde stammt von dem ehemaligen Stadtarchivar Heinrich Schreiber: Urkunden der Meistersinger zu Freiburg im Breisgau. Aus dem dortigen Stadtarchive mitgetheilt von Dr. H. S. In: Badisches Archiv zur Vaterlandskunde 2 (1827), S. 195-209, hier S. 195-202. Einen jüngeren und zuverlässigeren Abdruck hat Antonia E. Harter-Böhm vorgelegt: Zur Musikgeschichte der Stadt Freiburg im Breisgau um 1500. Freiburg/Br. 1968 (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 10), S. 96-102 (danach hier und im folgenden zitiert). Ein Entwurf des Stiftungsbriefes hat sich in "Aktenbestand C 1 Meistersinger", Nr.1 (d.i. Bl. 1-3 nach der modernen Foliierung des Aktenbestands) erhalten. Er ist bei Harter-Böhm in einem eigenen Apparat berücksichtigt. Das eigentliche Schriftstück umfasst zwei Doppelblätter und ein Einzelblatt aus starkem Pergament, ist in großzügigem Folioformat angelegt (39x29,5 cm) und sehr sorgfältig beschrieben. Es war sicher nicht für die Aufbewahrung im städtischen Aktenbestand, sondern für den Besitz durch die Gesellschaft selbst bestimmt. So sagt es der Text in seinem letzten Satz selbst: Des zu warem urkhund haben wir, burgermeister und rat zu Fryburg, obbestympt den syngern uff ihr beger diesen brief, doch anders ni, dann mit dem vorbehalt und den ußgedrucken meynungen, wie obstat, under unser statt secret insigel, doch uns allen, unsern nachkommen und gemeyner statt Fryburg in alweg on schaden, mitteylt und geben [...] [Hervorhebungen von mir, M.B.]. Den syngern diente der brief offensichtlich als repräsentativer Ausweis ihrer Legitimation durch die städtische Obrigkeit. Daher weisen ihn auch zwei Besitzstandsverzeichnisse der Freiburger Meistersinger von 1651 ("Aktenbestand C 1 Meistersinger", Nr.5 [d.i. Bl. 8-16 der modernen Foliierung]) aus, von denen Schreiber 1827, S. 209, einen fehlerhaften Abdruck von Auszügen vorgelegt hat: Jtem Ein Bergammentin Ordnung (Bl. 9v) bzw. Jtem Ein bergamentin Ordnung wie sich die Maistersinger zu haldten haben (Bl. 10r). Hingegen wurde der Brief von den Meistersingern nicht als Arbeitskopie benutzt, in der man regelmäßig einzelne Artickel der Statuten noch einmal nachgeschlagen hätte. Denn Spuren eine frequenteren Benutzung ‑ Nachträge, Korrekturen, Ergänzungen, abgegriffene und eingerissene Seiten oder ähnliches ‑ weist die Urkunde nicht auf.
[2] Das ergibt die Durchsicht der sechzehn Bände des Repertoriums der Sangsprüche und Meisterlieder, das alle erhaltenen Texte und Melodien des deutschen Meistergesangs verzeichnet: Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts. Hg. von Horst Brunner und Burghart Wachinger unter Mitarbeit von Eva Klesatschke, Dieter Merzbacher, Johannes Rettelbach und Frieder Schanze. Leitung der Datenverarbeitung Paul Sappler. 16 Bd.e. Tübingen 1986-2006 (im folgenden zitiert als "RSM").
[3] Ich stütze mich wiederum auf das RSM. Dort sind in den Artikeln zu den einzelnen Autoren jeweils kurze Informationen zur Person vorangestellt. Freiburg wird in keinem von ihnen genannt.
[4] In Freiburg waren die Handwerke zu Beginn des 16. Jahrhunderts in lediglich zwölf Zünften zusammengefasst, denen ein sogenannter Obristenmeister vorstand. Nur innerhalb dieser zwölf Mischzünfte konnten sich speziellere Interessenvereinigung einzelner Handwerke bilden, die dann durchaus auch als Bruderschafft bezeichnet werden konnten. So wird etwa das Gründungsmitglied Michel Punt in der Urkunde von 1513 als der Schumacher Bruderschafft Meister genannt, ebenso aber auch der Vorsteher der Freiburger Meistersinger-Gesellschaft als Bruderschafts-Meister. Diese Offenheit der zeitgenösssischen Bezeichnung (auf die schon Hahn 1985 hingewiesen hat: Reinhard Hahn: Meistergesang. Leipzig 1985, S. 48) übersieht Hellmut Rosenfeld: Singschule und Meistersinger vor 1500. Zur Problematik der Meistersangforschung. In: Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters. Hg. von Rudolf Schützeichel. Bonn 1979, S. 687-712, hier S. 687-690. Siehe auch die folgende Anmerkung.
[5] Die 'Donauwörther Chronik' des Kaisheimer Zisterzienserkonventualen Johannes Knebel, die 1528/29 von den Konzerten der Donauwörther Meistersinger berichtet, ist in ihrer Bezeichnung der Organisationsform bezeichnenderweise flexibel. Sie wechselt zwischen geselschafft und bruderschafft: da sang ain ydlicher der jn diser geselschafft oder bruderschafft waß eingeschrieben ain lied (hier zitiert nach dem jüngsten Abdruck bei Frieder Schanze: Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mügeln und Hans Sachs. München 1983/84 [Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 82+83], Bd. 1, S. 384-386, hier S. 385). Soweit beim gegenwärtigen Forschungsstand zu sehen, wählt keiner der bekannten Zusammenschlüsse von Meistersingern für sich ausschließlich die Bezeichnung als Bruderschaft. Auch die Selbstbezeichnung der Iglauer Meistersänger als Bruderschaft in ihrem sogenannten Handelsbuch, das die wichtigen Ereignisse des Gesellschaftslebens zwischen 1613 und 1621 verzeichnet, wechselt ab mit der als Gesellschaft: Franz Streinz: Die Singschule in Iglau und ihre Beziehungen zum allgemeinen deutschen Meistergesang. München 1958 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 2), S. 150. Die Auswertung des Iglauer Belegs für "Bruderschaft" bei Mertens bleibt damit einseitig: Volker Mertens: Meistergesang und Predigt. Formen der Performanz als Legitimationsstrategien im späten Mittelalter. In: Sangspruchtradition. Aufführung, Geltungsstrategien, Spannungsfelder. Hg. von Margreth Egidi, Volker Mertens und Nine Miedema. Frankfurt/Main [u.a.] 2004 (Kultur, Wissenschaft, Literatur. Beiträge zur Mittelalterforschung 5), S. 125-142, hier S.133f.
[6] Toppel ist die schon mittelhochdeutsch gut belegte Bezeichnung für die Einlage bei einem Wett- oder Glücksspiel. Vgl. Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1872-1878 mit einer Einleitung von Kurt Gärtner. 3 Bd.e. Stuttgart 1992, Bd. 2, Sp. 1461f. zu topel/toppel, topelære, topel-bret, topelen/toppeln, topel-schuole, topel-spil, topel-stein, topel-var, und Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 33 Bd.e. Leipzig 1854-1971, Bd. 21, Sp. 872-875.
[7] Zur zentralen Bedeutung der "Singschule" siehe unten Abschnitt II und III. Die Bezeichnung der Interaktion im Gemerk als "Singschule" nimmt den Sprachgebrauch der Meistersinger selbst auf, die ihrerseits bereits an eine ältere Verwendungsgeschichte des Wortes anknüpfen. In jener bezeichnet das Wort ‑ damit sei einem naheliegenden Missverständnis vorgebeugt ‑ keine "Schule" im Sinne einer Institution des mehr oder minder gelehrten und regulierten Unterrichts (oder gar dessen Gebäude), sondern lediglich die Konzertveranstaltung, die gesangliche Darbietung eines Liedes. Vgl. Horst Brunner: Die alten Meister. Studien zu Überlieferung und Rezeption der mittelhochdeutschen Sangspruchdichter im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. München 1975 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 54), S. 16-21; Christoph Petzsch: Singschule. Ein Beitrag zur Geschichte des Begriffs. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 95 (1976), S. 400-416. Unnötig engt Schanze 1983/84 (siehe oben Anm. 5), Bd. 1, S. 381, die Bedeutung auf "Singschule" = "'organisierte' Gruppe von Meistersingern, die 'Meistersingergesellschaft' mit eigener 'Verfassung' als [...] Träger der Gesangsveranstaltung" ein. Verdeckt wird damit zum einen die Tatsache, dass die Meistersinger-Gesellschaften, wenn sie "von sich selbst reden", gerade kein eigenes, vom Vollzug des Konzerts auf die tragende Organisation abstrahierendes Wort zur Verfügung haben (und z.B. auch auf "Bruderschaft" zurückgreifen": siehe oben Anm. 4f.) und damit zum zweiten auch die Bedeutsamkeit dieser Konzertveranstaltung für die Fundierung und das Selbstverständnis der Gesellschaften (siehe auch unten Abschnitt II sowie unten Anm. 50).
[8] Vgl. zur Person Philipp Hagers Irene Stahl: Die Meistersinger von Nürnberg. Archivalische Studien. Nürnberg 1982 (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 33), S. 186-188. Stahls grundlegende Studie ist bislang die einzige, die den Personenkreis einer Meistersinger-Gesellschaft systematisch aus möglichst allen verfügbaren ‑ d.h. nicht nur aus literarischen ‑ Quellen erschließt.
[9] Die in der Meistergesangs-Forschung recht prominente Glasscheibe ‑ sie gilt als einzige authentische Darstellung einer Singschule ‑ wird in Coburg bereits in einem neuzeitlich-musealen Kontext ausgestellt (in der sogenannten "Lutherstube" der Veste). Ihr ursprünglicher Bestimmungsort ist unbekannt, wird aber in Nürnberg, dem Lebensort und der Wirkungsstätte Hagers als Meistersinger, gelegen haben. Vgl. dazu auch den Ausstellungskatalog: Hans Sachs und die Meistersinger in ihrer Zeit. Eine Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums im Neuen Rathaus in Bayreuth, 26. Juli bis 30. August 1981. Hg. vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Nürnberg 1981, hier S. 121 Abbildung 95 und S. 127 Nr.95.
[10] Tabulaturen haben sich von mehreren Gesellschaften erhalten. Ihrer Erforschung hat sich in den zurückliegenden Jahren v.a. der australische Germanist Brian Taylor zugewandt. Den Bestand des Erhaltenen berücksichtigt vollständigt seine zweibändige Monographie: Adam Puschman: "Gründlicher Bericht des deutschen Meistergesangs". (Die drei Fassungen von 1571, 1584, 1596). Texte in Abbildung mit Anhang und einleitendem Kommentar. Hg. und eingeleitet von Brian Taylor. 2 Bd.e. Göppingen 1984 (Litterae 84). Vgl. weiterhin: Der Beitrag des Hans Sachs und seiner Nürnberger Vorgänger zu der Entwicklung der Meistersinger-Tabulatur. In: Hans Sachs in Nürnberg. Bedingungen und Probleme reichsstädtischer Literatur. Hans Sachs zum 400. Todestag am 19. Januar 1976. Hg. von Horst Brunner, Gerhard Hirschmann und Fritz Schnelbögl. Nürnberg 1976 (Nürnberger Forschungen 19), S. 245-274; Die verschollene Straßburger Meistersinger-Tabulatur von 1494 und eine bisher übersehene Kolmarer Tabulatur von 1546 im cgm 4997. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 105 (1976), S. 304-310; Prolegomena to a history of the Tabulatur of the German Meistersinger from its 15th century metapoetic antecedents to its treatment in Richard Wagner's opera. In: Journal of the Australasian Universities Language and Literature Association 54 (1980), S. 201-219.
[11] Dieses Deutungsschema im Detail nachzuzeichnen, fehlt hier der Raum. Ich gebe nur zwei exemplarische Belege: - "Eignet ihrer Dichtung zunächst keinerlei ausgesprochene Tendenz im Sinne der Verbreitung oder Stärkung des deutschen Volksbewußtseins, so sind die Meistersinger doch, nachdem sie sich einmal in zunftmäßig gegliederten Schulen vereinigt hatten, Träger einer kernfesten, ehrlichen und biederen deutschen Gesinnung gewesen; nach der Reformation haben sie diese Gesinnung vorwiegend in der Pflege der deutschen Sprache, wie sie Luthers Bibelübersetzung festgestellt hatte, betätigen zu müssen gemeint, Grund genug, ihrer dichterischen Bestrebungen mit Dankbarkeit und Achtung zu gedenken." (Wilibald Nagel: Studien zur Geschichte der Meistersänger. Langensalza 1909 [Musikalisches Magazin 27], S. 12); - "Was die verschnörkelten Versformen betrifft, so müssen wir erkennen, daß dieselben auf festeren Gesetzen beruhten, als die Liederformen der Minnesinger; aber es war dies auch nötig, um wenigstens in den mechanischen Verskünsten einen Ersatz für den Mangel tiefern poetischen Ausdruckes zu finden, der ja selbst bei Hans Sachs nur einem kleinen Teile seiner massenhaften Lieder zugestanden werden kann. An ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung werden sie durch diese Einsicht nicht verlieren, und wenn wir sie im großen und ganzen nur vom historischen Gesichtspunkt aus würdigen können, so ist dabei noch zu berücksichtigen, daß ihr ästhetischer Zweck gegen ihren moralischen im allgemeinen der untergeordnetere war." (Rudolph Genée: Hans Sachs und seine Zeit. Ein Lebens- und Kulturbild aus der Zeit der Reformation. 2., durchgesehene Auflage Leipzig 1902, S. 279).
[12] Siehe oben Anm. 2.
[13] Nachstehend in chronologischer Folge nur die wichtigsten monographischen Arbeiten: Burghart Wachinger: Sängerkrieg. Untersuchungen zur Spruchdichtung des 13. Jahrhunderts. München 1973 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 42); Brunner 1975 (siehe oben Anm. 7); Schanze 1983/84 (siehe oben Anm. 5); Eva Klesatschke: Lienhard Nunnenbeck: Die Meisterlieder und der Spruch. Edition und Untersuchungen. Göppingen 1984 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 363); Dieter Merzbacher: Meistergesang in Nürnberg um 1600. Untersuchungen zu den Texten und Sammlungen des Benedict von Watt (1569-1616). Nürnberg 1987 (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 39); Johannes Rettelbach: Variation ‑ Derivation ‑ Imitation. Untersuchungen zu den Tönen der Sangspruchdichter und Meistersinger. Tübingen 1993 (Frühe Neuzeit 14).
[14] Die Vorstellung von den Zwölf alten Meistern wird v.a. durch entsprechende Namenkataloge tradiert. Vgl. dazu zusammenfassend Brunner 1975 (siehe oben Anm. 7), S. 12f., sowie an jüngeren Beiträgen: Nikolaus Henkel: Die Zwölf alten Meister. Beobachtungen zur Entstehung des Katalogs. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 109 (1987), S. 375-389; Horst Brunner: Dichter ohne Werk. Zu einer überlieferungsbedingten Grenze mittelalterlicher Literaturgeschichte. (Mit einem Textanhang: Die Dichterkataloge des Konrad Nachtigall, des Valentin Voigt und des Hans Folz). In: Überlieferungsgeschichtliche Editionen und Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. Hg. von Konrad Kunze, Johannes F. Mayer und Bernhard Schnell. Tübingen 1989 (Texte und Textgeschichte 31), S. 1-31; Michael Baldzuhn: Ein meisterliches Streitgedicht. Zum poetologischen Horizont der Lieder Nr.89-94 des Hans Folz. In: Lied im deutschen Mittelalter. Überlieferung, Typen, Gebrauch. Chiemsee-Colloqium 1991. Hg. von Cyril Edwards, Ernst Hellgardt und Norbert H. Ott. Tübingen 1996, S. 227-243. Neben Namenkatalogen alter Meister, die oft in eigenen Meisterlieder tradiert sind, und neben bildlichen Darstellungen (siehe unten), formt sich die meistersingerische "Literaturgeschichte" seit dem 16. Jahrhundert zudem in einer eigenen Ursprungssage aus, in der die Meistersinger ihre Kunst bis auf Kaiser Otto den Großen zurückführen. Grundlegend zur Ursprungssage: Brunner 1975 (siehe oben Anm. 7), S. 13f., und S. 24-31. Allenfalls noch für die Quellenheuristik ergiebig: Hans Ellenbeck: Die Sage vom Ursprung des Deutschen Meistergesangs. Phil. Diss. Bonn 1911.
[15] Vgl. zur ersten Orientierung über die mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung v.a. den Überblicksartikel von Ursula Schule: Sangspruch. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hg. von Harald Fricke, Jan-Dirk Müller und Klaus Weimar. 3 Bd.e. Berlin, New York 1997-2003, Bd. 3, S. 352-355 [im folgenden zitiert als "RLW"] (mit weiterer Literatur) sowie das Einführungsbändchen von Helmut Tervooren: Sangspruchdichtung. Stuttgart, Weimar 1995 (Sammlung Metzler 293). Die aktuelle Forschungslage skizzieren knapp: Horst Brunner und Helmut Tervooren: Einleitung: Zur Situation der Sangspruch- und Meistergesangsforschung. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 119 (2000), Sonderheft "Neue Forschungen zur mittelhochdeutschen Sangspruchdichtung", S. 1-9.
[16] Mit dieser terminologischen Differenzierung folge ich Schanze 1983/84 (siehe oben Anm. 5), Bd. 1, S. 7-11, der als erster versucht hat, die Eigenart der auf die Sangspruchdichtung folgenden und von ihm sogenannten "meisterlichen Lieddichtung" herauszuarbeiten und sie auch begrifflich zur Geltung zu bringen. Vgl. zudem die grundlegende Einleitung im Repertorium, Bd. 1, S. 1-7. Weitere Untersuchungen, die übergreifend versuchen, Grundzüge der "meisterlichen Liedkunst" zu erfassen, liegen noch kaum vor, da diese Phase als Gattungsabschnitt eigenen Rechts gerade erst einmal in das Bewusstsein der germanistischen Mediävistik zu treten beginnt. Der Poetik der meisterlichen Liedkunst weitergehend Kontur zu verleihen, bleibt eine dringende Forschungsaufgabe. Insbesondere fehlt eine zuverlässige Textausgabe, die ‑ am besten in Form einer Anthologie ‑ querschnittartig einen zuverlässigen Überblick zu vermitteln hätte. Diesen Aufgaben habe ich an anderer Stelle von verschiedenen Seite vorzuarbeiten versucht: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Untersuchungen zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhandschrift. Tübingen 2002 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 120); Wege ins Meisterlied. Thesen zum Prozess seiner Herausbildung und Beobachtungen am k-Bestand unikaler Strophen in unfesten Liedern. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 119 (2000), Sonderheft "Neue Forschungen zur mittelhochdeutschen Sangspruchdichtung", S. 252-277; Minne in den Sangspruchtönen Regenbogens. Eine Überschau in typologischer Absicht. In: Sangspruchdichtung. Gattungskonstitution und Gattungsinterferenzen im europäischen Kontext. Hg. von Trude Ehlert, Dorothea Klein, Elisabeth Schmid [im Druck]; Ein Feld formiert sich. Beobachtungen zur poetologischen Begrifflichkeit in den Tabulaturen der Meistersinger. In: Im Wortfeld des Textes. Hg. von Gerd Dicke, Manfred Eikelmann und Burkhard Hasebrink. Berlin, New York (Trends in Medieval Philology 10) [im Druck].
[17] Vgl. zur ersten Orientierung Horst Brunner: Meistergesang. In: RLW, Bd. 2, S. 254-257 sowie die bereits erwähnte Einleitung im Repertorium (siehe oben Anm. 16), hier besonders S. 4-7 (jeweils mit weiterführenden Literaturangaben). Die schmale Einführung von Bert Nagel: Meistersang. 2., mit einem Nachwort versehene Auflage Stuttgart 1971 (Sammlung Metzler 12) ist leider über weite Strecken veraltet und muss mit großer Vorsicht benutzt werden. Zuverlässigere Informationen vermittelt der knappe Überblick von Hahn 1985 (siehe oben Anm. 4).
[18] Über Person und Werk der genannten Sangspruchdichter und Meisterlieddichter informieren zuverlässig die entsprechenden Artikel im Verfasserlexikon: Karl Stackmann: Frauenlob; (Meister) Heinrich Frauenlob; Meister Heinrich von Meißen der Frauenlob. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2., völlig neu bearbeitete Auflage [...] hg. von Kurt Ruh [u.a.]. Bd. 1ff. Berlin, New York 1978ff. (im folgenden zitiert als "2VL"), Bd. 2, Sp. 865-877; Frieder Schanze: Regenbogen. In: 2VL, Bd. 7, Sp. 1077-1097; Burghart Wachinger: Der Marner. In: 2VL, Bd. 6, Sp. 70-79; Karl Stackmann: Heinrich von Mügeln. In: 2VL, Bd. 3, Sp. 815-827.
[19] Hans Sachs war bereits zu seiner Zeit ein bekannter Meistersinger und ist es im deutschen Sprachraum bis heute. Vgl. zu Autor und Werk im Überblick: Barbara Könneker: Sachs, Hans. In: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Hg. von Walther Killy. 15 Bd.e. Gütersloh 1988-93, Bd. 10, S. 99-102 (mit weiterer Literatur).
[20] Ich entnehme die Abbildung Hahn 1985 (siehe oben Anm. 4), S. 46. Das heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg (Katalog der im germanischen Museum befindlichen Gemälde. 3. Auflage Nürnberg 1893, Nr.537) aufbewahrte Tafelbild stammt aus dem Besitz der Nürnberger Meistersinger und diente als Aushängeschild bei öffentlichen Singschulveranstaltungen. Vgl. Theodor Hampe: Spruchsprecher, Meistersinger und Hochzeitlader, vornehmlich in Nürnberg. In: Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum 7 (1894), S. 25-44 und S. 60-69, hier S. 41f. mit Abbildung 4, ferner die Erwähnung in Nagel 1971 (siehe oben Anm. 17), S. 59.
[21] Jacob Grimm: Ueber den altdeutschen Meistergesang. Göttingen 1811. (Diese frühe Arbeit Grimms ist jetzt leicht zugänglich über: Jacob und Wilhelm Grimm: Werke. Forschungsausgabe. Hg. von Ludwig Erich Schmitt. Abteilung I. Die Werke Jacob Grimms. Bd. 29: Über den altdeutschen Meistergesang. Neu hg. von Otfrid Ehrismann. Hildesheim, Zürich, New York 1993). Grimms Begriff des "Meistergesangs" umfasst folglich die gesamte Sangspruchtradition: Sangspruchdichtung, meisterliche Liedkunst und den institutionalisierten Meistergesang.
[22] Die wichtigsten Stationen dieser Diskussion verbinden sich mit den Namen Karl Simrocks, Hermann Schneiders und Kurt Ruhs. Die entsprechenden Beiträge sind am leichtesten zugänglich über den Sammelband: Mittelhochdeutsche Spruchdichtung. Hg. von Hugo Moser. Darmstadt 1972 (Wege der Forschung 154). Vgl. zudem den dort vorangestellten Forschungsbericht von Helmut Tervooren.
[23] Einer Neubewertung der Dichtungen Frauenlobs hat erst die Göttinger Frauenlob-Ausgabe Karl Stackmanns zuverlässige Grundlagen geschaffen: Frauenlob (Heinrich von Meissen). Leichs, Sangsprüche, Lieder. Auf Grund der Vorarbeiten von Helmuth Thomas hg. von Karl Stackmann und Karl Bertau. 2 Teilbd.e. Göttingen 1981 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse., 3. Folge, Nr.119+120). Die jüngere Forschung begreift Frauenlob inzwischen als einen dezidiert in höfischen Traditionen stehenden Sangspruchdichter, der in der Gattung Sangspruch von alters her angelegte Tendenzen gezielt aufgreift, souverän verarbeitert und steigert. Vgl. etwa die Beiträge in dem Sammelband: Cambridger "Frauenlob"-Kolloquium. Hg. von Werner Schröder. Berlin 1988 (Wolfram-Studien 10).
[24] Wiederum sind die Bemühungen Karl Stackmanns hervorzuheben. Forschungsgeschichtliche Marksteine sind seine "Vorstudien" (Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln. Vorstudien zur Erkenntnis seiner Individualität. Heidelberg 1958 [Probleme der Dichtung 3]) und seine Textausgabe: Die kleineren Dichtungen Heinrichs von Mügeln. 1. Abteilung. Die Spruchsammlung des Göttinger Cod. Philos. 21. Hg. von Karl Stackmann. 3 Teilbd.e. Berlin 1959 (Deutsche Texte des Mittelalters 50-52). Jüngere Arbeiten Stackmanns zu Mügeln vereint der Sammelband: Frauenlob, Heinrich von Mügeln und ihre Nachfolger. Hg. von Jens Haustein. Göttingen 2002.
[25] Nagel 1971 (siehe oben Anm. 17), S. 25-27.
[26] Grundlegend und mit allen notwendigen Differenzierungen dazu: Gisela Kornrumpf und Burghart Wachinger: Alment. Formentlehnung und Tönegebrauch in der mittelhochdeutschen Spruchdichtung. In: Deutsche Literatur im Mittelalter. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Hg. von Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 356-411. Vgl. auch den Artikel "Ton" von Horst Brunner in: RLW, Bd. 3, S. 645f.
[27] Das von mir hier nur angedeute Überlieferungsmodell, das ja mit einigen Unbekannten rechnet (verlorene Gebrauchshandschriften) wird an anderer Stelle ausführlich begründet (Baldzuhn 2002 [siehe oben Anm. 16]). Vgl. für den ersten Überblick über den Bestand der einschlägigen Handschriften den Artikel von Frieder Schanze: Meisterliederhandschriften. In: 2VL, Bd. 6, Sp. 342-356.
[28] Holznagel, Franz-Josef: Mittelalter. In: Geschichte der deutschen Lyrik. Hg. von F.-J. H. [u.a.]. Stuttgart 2004, S. 11-94, hier S. 67 Anm. 14; Johannes Rettelbach: Sangspruchdichtung zwischen Frauenlob und Heinrich von Mügeln ‑ eine Skizze. In: Studien zu Frauenlob und Heinrich von Mügeln. Festschrift für Karl Stackmann zum 80. Geburtstag. Hg. von Jens Haustein und Ralf-Henning Steinmetz. Freiburg/Schweiz 2002 (Scrinium Friburgense 15), S. 154-174, hier S. 147f. Anm. 9; Johannes Rettelbach: Späte Sangspruchdichtung - früher Meistergesang. Bilanz der jüngeren Forschung. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 12 (2000), S. 185-201, hier S. 186. Vgl. auch Horst Brunner und Johannes Rettelbach: "Der vrsprung des maystergesangs". Eine Schulkunst aus dem frühen 16. Jahrhundert und die Kolmarer Liederhandschrift. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 114 (1985), S. 221-240, hier S. 236: "Die reiche Textüberlieferung der vorreformatorischen Meistersingerhss., die ja zahlreiche, wenn auch überwiegend anonym bleibende Autoren bezeugt, steht in krassem Gegensatz zur offensichtlichen Beweisnot, wenn es darum geht, die Existenz einzelner Gesellschaften zu belegen."
[29] Vgl. zur ausführlicheren Begründung wiederum Baldzuhn 2002 (siehe oben Anm. 16).
[30] Vgl. meine oben Anm. 16 aufgeführten Beiträge zur Ausgestaltung des Minnethemas in den Sangspruchtönen Regenbogens und zur poetologischen Begrifflichkeit in den Tabulaturen der Meistersinger.
[31] Das relativ bekannteste Beispiel für ein solches Wettstreitgedicht ist der sogenannte 'Krieg von Würzburg': vgl. Meisterlieder der Kolmarer Handschrift. Hg. von Karl Bartsch. Stuttgart 1862. Nachdruck Hildesheim, Zürich, New York 1998 (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 68), S. 351-362, Nr.61, sowie dazu Reinhold Schröder: 'Der Krieg von Würzburg'. In: 2VL, Bd. 5, Sp. 381f., die Angaben im RSM zu 1Regb/1/512ab und Baldzuhn 2002 (s.o Anm. 16), S. 268f. Eine systematische Zusammenstellung der einschlägigen Lieder fehlt.
[32] Die mediävistische Liedforschung hat selbst erst lernen müssen, Sänger-"Ich" und Text-"Ich", textinterne und textexterne Sprecher-Situation systematisch auseinander zu halten. Wegweisend war hier ein Beitrag von Rainer Warning: Lyrisches Ich und Öffentlichkeit bei den Trobadors. In: Cormeau 1979 (siehe oben Anm. 26), S. 120-159.
[33] Tatsächlich lässt sich für eine der Meisterliederhandschriften, die "Kolmarer Liederhandschrift" (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 4997) erweisen, dass sie in den Kreisen der Meistersinger des 16. Jahrhunderts kursierte und dort in einem besonderen Ansehen stand. Vgl. zusammenfassend zur Handschrift Burghart Wachinger: 'Kolmarer Liederhandschrift'. In: 2VL, Bd. 5, Sp. 27-39, und Lorenz Welker: Kolmarer Liederhandschrift. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2. Auflage hg. von Ludwig Finscher. Kassel u.a. 1994ff., Sachteil Bd. 5, Sp. 450-455. Speziell zu ihrer Rezeption im 16. Jahrhundert: Stackmann (siehe oben Anm. 24), Teilbd. 1, S. LXV-XCV; Brunner 1975 (siehe oben Anm. 7), S. 67-171. Der Bestand des Cgm 4997 an Wettstreitgedichten ist noch nicht systematisch erhoben. Einstweilen vermitteln nur die Beischriften ihrer zwei Schreiber zu den einzelnen Liedern, die öfter als fürwurf oder straflied bezeichnet werden, einen Eindruck von der Masse des einschlägigen Materials. Nachweise dazu bei Baldzuhn 2002 (siehe oben Anm. 16), S. 489f. Anm. 69.
[34] Zuletzt bei Holznagel 2004 (siehe oben Anm. 28), S. 68: "[...] ein elaboriertes und schriftlich in den sog. Tabulaturen fixiertes Regelwerk [...], das en détail festlegt, wie Meisterlieder gedichtet und vorgetragen werden sollen."
[35] Vgl. Taylor 1984 (siehe oben Anm. 10), Bd. 1.
[36] Genée 1902 (siehe oben Anm. 11), S. 410.
[37] Das allerdings trifft die tatsächlichen Verhältnisse nicht. Hunderte von Meisterliedern sind in den Druck gegangen; vgl. das Verzeichnis der Drucke im Überlieferungsband des Repertoriums (RSM, Bd. 1, S. 325-508). In dieser Frage hat die Arbeit von Schanze für Klärung gesorgt (1983/84 [siehe oben Anm. 5], Bd. 1, S. 33f.). Die gedruckten Meisterlieder behandeln vorwiegend populäre Liedthemen und sind in besonders verbreiteten Töne verfasst. Der Buchdruck repräsentiert die tatsächliche Liedproduktion der Meisterlieddichter nur in einem schmalen und untypischen Ausschnitt. Anspruchsvollen Themen, allem voran geistliche Dichtung, und Formen bleiben dem Gemerk vorbehalten.
[38] Vgl. Konrad Ehlich: Funktion und Struktur schriftlicher Kommunikation. In: Schrift und Schriflichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch. Hg. von Hartmut Günther und Otto Ludwig. 1. Halbbd. Berlin, New York 1994 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 10,1), S. 18-41, hier S. 19.
[39] Vgl. für die Sangspruchdichtung Tervooren 1995 (siehe oben Anm. 15), S. 101-107, sowie zur Aufführung mittelalterlicher Lieddichtung generell Joachim Bumke: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. München 1986, S. 751-783. Systematische Perspektiven entfalten die Beiträge in: "Aufführung" und "Schrift" in Mittelalter und Früher Neuzeit. Hg. von Jan-Dirk Müller. Stuttgart, Weimar 1996 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 17).
[40] Zwei Abbildungen solcher Einladungszettel finden sich bei Hahn 1985 (siehe oben Anm. 4), S. 57 (Nürnberg, 17. Jahrhundert, heute Nürnberg, Stadtbibliothek, Will III 780 [Tinte und Wasserfarben auf Papier, Format: 27,2x29,8 cm]) und S. 59 (Nürnberg, Ende 16. Jahrhundert, heute Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, MP 20517a [Holzschnitt und Buchdruck, Format: 15x25,7 cm]). Vgl. zu beiden auch die Artikel in: Hans Sachs und die Meistersinger 1981 (siehe oben Anm. 9), S. 126 Nr.93 (älterer Zettel) und Nr.94 (jüngerer Zettel) sowie die Farbabbildung des jüngeren Zettels dort S. 119. Einen weiteren Nürnberger Einladungszettel von 1646 hat Hampe 1894 (siehe oben Anm. 20) bekannt gemacht; vgl. dort die Abbildung auf Tafel 1 sowie S. 41 (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Merkelsche Porträtsammlung, Inventarnr. Mp 26362a [mit Feder handgeschriebener Zettel mit Ganzfigurenbildnis des Simon Wolff in Deckfarben, Format 18x29,5 cm]). Auch aus der Freiburger Gesellschaft hat sich ein Einladungszettel (von 1630) erhalten. Er wird heute im örtlichen Stadtarchiv unter "Urkundenbestand A 1 XIIIf", darin als Nr.7 aufbewahrt. Der Zettel scheint als Musterexemplar aufbewahrt worden zu sein (und wäre dann vielleicht untypisch sorgfältig ausgeführt?), das auch die Freiburger Besitzstandsverzeichnisse (siehe oben Anm. 1) berücksichtigen: Jtem Ein schuollbrief wie man die Singer Vf die schuoll laden duodt (Bl. 9r) bzw. Jtem Ein schuolbrief wie man die Maistersinger auf die Singschuoll laden duodt (Bl. 10r). Den Text des Schulzettels hat ‑ fehlerhaft ‑ Schreiber 1827 (siehe oben Anm. 1), S. 205-207, abgedruckt. Beim Freiburger Dokument handelt es sich ebenfalls um ein großformatiges Einzelblatt. Es ist von Hand beschrieben, besteht aus starkem Papier, dessen Ecken zusätzlich noch verstärkt wurden, und war wie die Nürnberger Blätter zum öffentlichen Aushang bestimmt. In Nürnberg wurden jeweils drei dieser Blätter an Stecken am Hauptmarkt ausgehängt und ein weiteres am Veranstaltungsort selbst. Eine knappe Übersicht über die gegenwärtig bekannten Plakate gibt Nagel 1971 (siehe oben Anm. 17), S. 59-61. Rettelbach weist jedoch darauf hin, dass sich eine große Zahl solcher Plakate auch in der Meistersinger-Handschriftensammlung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar unter der Signatur Fol 421a findet (Johannes Rettelbach: Aufführung und Schrift im Meistergesang des 16. Jahrhunderts. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 155 [2003], S. 241-287, hier S. 244 Anm. 13). Diese finde ich bei Nagel nicht berücksichtigt (der im übrigen auch nicht präzise zwischen den Quellentypen "Postenbrief" und Schulzettel trennt: siehe zu ersteren weiter unten). Eine systematische Erhebung und Erschließung des Bestands fehlt. Sie wäre schon deshalb wünschenswert, weil sie zentrale Einblicke in das Verhältnis der Meistersinger zur städtischen Öffentlichkeit gewährt.
[41] Die Freiburger Besitzstandsverzeichnisse (siehe oben Anm. 1) führen hier auf: Jtem Zwen gemolte Vmheng Vnd zway Jsinig stenglin dar zuo (Bl. 9r) bzw. Jtem Zwenn gemoldte Vmheg mit sambdt Zwaij Jsinin stenglin wie mans bey dem Maistersang Jn dem gemerrkh vorhangen duodt (Bl. 10r) und Jtem Der Singstuohll wie man darauf singen duodt (Bl. 9r) bzw. Jtem der singstuoll wie Man darauf sitz wan man singen duodt (Bl. 10r).
[42] Aufbewahrt wird der Postenbrief im örtlichen Stadtarchiv im "Urkundenbestand A 1 XIIIf", darin als Nr.2. Er ist zeitnah zum Stiftungsbrief von 1513 zu datieren und war ‑ es sind noch Nagelspuren erkennbar ‑ zum öffentlichen Aushang bestimmt. Von den beiden Besitzstandsverzeichnissen der Freiburger Meistersinger (siehe oben Anm. 1) nennt nur das zweite einen Postenbrief: Jtem Ein Abriß von der daflen wie man sij vor Vnser lieben frauen Münster vor dem wohr Zaichen wan Man ain Singschuoll hat gehalten aldordten aufgehengeht worden (Bl. 10r). Das Blatt ist repräsentativ-sorgfältig beschrieben. Die kolorierten Zeichnungen zeigen im Kopf des Blattes die Krönung der Jungfrau Maria und Wappen der Hauses Österreich und der Stadt Freiburg und im Fuß fünf Figuren, die Tubal, Thales, Sokrates, Pythagoras und Priscian darstellen. Der Text ist abgedruckt bei Schreiber 1827 (siehe oben Anm. 1), S. 202-205, und ‑ zuverlässiger ‑ bei Harter-Böhm 1968 (siehe oben Anm. 1), S. 102f. Die oben in Abbildung 2 gezeigte Holztafel diente ebenfalls als ein solches Aushängeschild (Hampe S. 41: "[...] das eine öffentliche Singschule darstellt und gelegentlich solcher Singschulen neben der Einladung als Aushängeschild diente"). Einer der prominentesten Postenbriefe ist derjenige der Iglauer Meistersinger und abgebildet bei Hahn 1985 (siehe oben Anm. 4), S. 72. Die Tafel wurde 1958 im Iglauer Stadtmuseum aufbewahrt. Vgl. über sie die grundlegende Untersuchung zum Iglauer Meistergesang von Streinz 1958 (siehe oben Anm. 5), S. 17f. Weitere Postenbriefe stellt Nagel 1971 (siehe oben Anm. 17), S. 57-61, zusammen.
[43] Pierre Bourdieu: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Soziale Ungleichheiten, hg. von Reinhard Kreckel. Göttingen 1983 (Soziale Welt. Sonderbd. 2), S. 183-198.
[44] Solche Protokolle (Gemerkbücher) haben sich aus Augsburg, Iglau und Nürnberg erhalten: Die Schulordnung und das Gemerkbuch der Augsburger Meistersinger. Hg. von Horst Brunner, Waltraud Dischner, Eva Klesatschke und Brian Taylor. Tübingen 1991 (Studia Augustana 1); Streinz 1958 (siehe oben Anm. 5), S. 150-175; Das Gemerkbüchlein des Hans Sachs (1555-1561) nebst einem Anhange: Die Nürnberger Meistersinger-Protocolle von 1595-1605. Hg. von Karl Drescher. Halle/Saale 1898; Nürnberger Meistersinger-Protokolle von 1575-1689. Hg. von Karl Drescher. 2 Bd.e. Stuttgart 1897 (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 213+214). Nachdruck Hildesheim 1963.
[45] Vgl. Baldzuhn: Ein Feld formiert sich (siehe oben Anm. 16); Taylor 1980 (siehe oben Anm. 10).
[46] Die prinzipielle Fortschrittlichkeit der meistersingerischen Bemühung um Beschreibungsbegriffe im Hinblick auf den Ausbau der Volkssprache zu einem funktionierenden Instrument für die Beschreibung von Textqualitäten wird von dieser Abhängigkeit nicht im geringsten geschmälert. Methodisch instruktiv für diesen Zusammenhang: Michael Giesecke: 'Volkssprache' und 'Verschriftlichung des Lebens' im Spätmittelalter ‑ am Beispiel der Genese der gedruckten Fachprosa in Deutschland. In: Literatur in der Gesellschaft des Spätmittelalters. Hg. von Hans Ulrich Gumbrecht. Heidelberg 1980 (Begleitreihe zum Grundriss der romanischen Literaturen des Mittelalters 1), S. 39-70 [in erheblich ergänzter Fassung unter dem Titel "'Volkssprache' und 'Verschriftlichung des Lebens' in der frühen Neuzeit. Kulturgeschichte als Informationsgeschichte" auch in: Michael Giesecke: Sinnenwandel, Sprachwandel, Kulturwandel. Studien zur Vorgeschichte der Informationsgesellschaft. Frankfurt/Main 1992 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 997), S. 73-121].
[47] Vgl. Niklas Luhmann: Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation. In: Soziologische Aufklärung 3. Soziales System, Gesellschaft, Organisation. Opladen 1981, S. 25-34; Margot Berghaus: Luhmann leicht gemacht. Eine Einführung in die Systemtheorie. Köln, Weimar, Wien 2003 (Uni-Taschenbuch 2360), S. 97-107.
[48] Vgl. Hans Ulrich Gumbrecht: Beginn von 'Literatur' / Abschied vom Körper? In: Der Ursprung von Literatur. Medien, Rollen, Kommunikationssituationen zwischen 1450 und 1650. Hg. von Gisela Smolka-Koerdt, Peter M. Spangenberg und Dagmar Tillmann-Bartylla. München 1988, S. 14-50.
[49] Vgl. Horst Wenzel: Partizipation und Mimesis. Die Lesbarkeit der Körper am Hof und in der höfischen Literatur. In: Materialität der Kommunikation. Hg. von Hans Ulrich Gumbrecht und Klaus Ludwig Pfeiffer. Frankfurt/Main 1988 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 750), S. 178-202.
[50] Vgl. zur Repräsentationsfunktion des mittelalterlichen Körpers die Hinweise von Christian Kiening: Vorpiel: Zwischen Körper und Schrift. In: Christian Kiening: Zwischen Körper und Schrift. Texte vor dem Zeitalter der Literatur. Frankfurt/Main 2003 (Fischer Taschenbuch 15951), S. 7-31.
[51] Prinzipiell weisen daher die klärenden Schlüsse, die Schanze 1983/84 (siehe oben Anm. 5), Bd. 1, S. 383-389, aus seinen Befunden zum vorreformatorischen Meistergesang zieht, in dieselbe Richtung: späte Entstehung regulierter Gesellschaften, frühestens seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts. Analytisch bleiben dann allerdings weitere Aussagen bedeutend zu unscharf. In der Hauptsache ist es diejenige, dass man (S. 381) "mit großer Wahrscheinlichkeit dann eine in irgendeiner Weise etablierte Singergesellschaft vermuten [darf], wenn zur gleichen Zeit mehrere Meistersinger am selben Ort sind" (was in Nürnberg schon im zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, wie Schanze zeigen kann, der Fall ist). Einmal abgesehen von der unnötig Verwirrung stiftenden Terminologie ("Singschule" = "'Meistersingergesellschaft' mit eigener 'Verfassung'": siehe oben Anm. 7) finden bereits Begegnungen mittelhochdeutscher Sangspruchdichter auf höfischen Festen in einer "in irgendeiner Weise etablierten" Form statt. Gerade auf die großen, und manchmal auch nur feinen, Unterschiede zwischen den verschiedenen Graden von "Etabliertheit" kommt es gerade an.
[52] Horst Brunner: Zur Geschichte der Meistergesangsforschung. In: Deutsches Handwerk in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Sozialgeschichte, Volkskunde, Literaturgeschichte. Hg. von Rainer S. Elkar. Göttingen 1983 (Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 9), S. 223-243; Reinhard Hahn: Der Meistergesang in der Geschichte der Germanistik. In: Zeitschrift für Germanistik 4 (1983), S. 450-462.
[53] Archer Taylor, Frances Hankemeier-Ellis: A bibliography of Meistergesang. Bloomington/Indiana 1936 (Indiana University Studies 23,113). Seit Taylor/Hankemeier-Ellis ist keine Bibliographie zum deutschen Meistergesang mehr erschienen.
[54] Siehe etwa Streinz 1958 (siehe oben Anm. 5), S. 5.
[55] Nagels sehr frühen Ansatz erster Zusammenschlüsse von Meistersingern in Mainz um Frauenlob (14. Jh.) und dann in Augsburg (Mitte 15. Jh.) kritisiert Schanze 1983/84 (siehe oben Anm. 5), Bd. 1, S. 383 mit Anm. 56f. mit Recht.
[56] Siehe unten im nachstehenden Verzeichnis zu einer vermeintlichen Gesellschaft im österreichischen Hall.
[57] Karl Goedeke: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen. 2., ganz neu bearbeitete Auflage. 2. Bd.: Das Reformationszeitalter. Dresden 1886. Nachdruck Nendeln/Liechtenstein 1975, S. 247-264; Nagel 1909 (siehe oben Anm. 11); Taylor/Ellis 1936 (siehe oben Anm. 53), Nagel 1971 (siehe oben Anm. 17); RSM, Bd. 1, S. 1-7; Taylor 1984 (siehe oben Anm. 10); Hahn 1985 (siehe oben Anm. 4); Reinhard Hahn: Meistersinger in Schlesien. In: Oberschlesische Dichter und Gelehrte vom Humanismus bis zum Barock. Hg. von G. Kosellek. Bielefeld 2000 (Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien 8), S. 175-202; Schanze 1983/84 (siehe oben Anm. 5), Bd. 1.
[58] Für einen konzeptionell weiterführenden Zugang zu diesem Quellentyp siehe jetzt Wilfried Reininghaus: Sachgut und handwerkliche Gruppenkultur. Neue Fragen an die "Zunftaltertümer". In: Die Repräsentation der Gruppen. Texte, Bilder, Objekte. Hg. von Otto Gerhard Oexle und Andrea von Hülsen-Esch. Göttingen 1998 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 141), S. 429-463.
[59] Vgl. auch Reinhard Hahn: "Die löbliche Kunst". Studien zu Dichtung und Poetik des späten Meistergesangs am Beispiel Adam Puschmanns (1532-1600). Breslau 1984 (Acta Universitatis Wratislaviensis 737; Germanica Wratislaviensia 60), S. 10: "In der Lausitz wie in Schlesien [...] gab es (mit der Ausnahme Wrocław [...]) keine fest organisierten Meistersingergesellschaften, wohl aber einzelne Meistersinger ‑ so in Görlitz, Lubań, Żagań, Klodzko, Brzeg und Swidnica ‑, die sich zur Ausübung ihrer Kunst in bestimmten Abständen zusammenfanden. Auf Grund ihrer mangelnden Organisation jedoch sind keine Protokolle oder ähnliche Zeugnisse überliefert, wie sie für die süddeutschen Meistersingergesellschaften charakteristisch sind."
[60] Schon Nagel 1909 gibt keinerlei ältere Literatur mehr an. Ist Dresden vielleicht über den bei Goedeke 1886, S. 262 Nr.50 aufgeführten Nürnberger Liederdruck eines vermeintlichen (und daher auch nicht im RSM berücksichtigten) Meisterliedes des Dresdner Autors Joseph Ule ins Spiel gekommen?
[61] Siehe auch oben Anm. 59.
[62] Siehe auch oben Anm. 59.
[63] Auf Nachfrage hin hat mir Horst Brunner keine Auskunft mehr über Belege geben können, die die Aufnahme Halls in die Übersichtsskizze des RSM zu den regulierten Gesellschaften stützen. Ich finde Hall zuvor noch einmal ebenfalls ohne Belege erwähnt in Horst Brunner: Hans Sachs und Nürnbergs Meistersinger. In: Hans Sachs und die Meistersinger 1981 (siehe oben Anm. 9), S. 9-24, hier S. 17. Möglicherweise liege, so der Mitherausgeber des Repertoriums brieflich, ein Irrtum vor.
[64] Siehe auch oben Anm. 59.
[65] Es handelt sich um eine kostbare Kette aus Silber, die heute im Städtischen Museum in Nördlingen aufbewahrt wird. Vgl. die Abbildung und den dazugehörigen Artikel in: Hans Sachs und die Meistersinger 1981 (siehe oben Anm. 9), S. 128 Nr.97.
[66] Cyriacus Spangenberg: Von der Musica und den Meistersängern. Hg. durch Adelbert von Keller. Stuttgart 1861 (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 62), S. 136f.
[67] Spangenberg (siehe oben Anm. 66), S. 136.
[68] Siehe auch oben Anm. 59.
[69] Siehe auch oben Anm. 59.
[70] Spangenberg (siehe oben Anm. 66), S. 136.
[71] Diesem Bestand kommt die Verbreitungskarte bei Hahn 1985 (siehe oben Anm. 4), S. 27, bedeutend näher (dort überzählig lediglich Wels und Eferding) als die Nagel 1971 beigelegte Faltkarte (dort 24 Orte).
[72] Dahingehend Hahn 2000 (siehe oben Anm. 57), S. 77f.
[73] Vgl. die Textauszüge bei Nagel 1909, S. 133f. bzw. S. 189f.
[74] Immerhin übersandte er seine Chronik 1529 ja auch dem Stadtrat von Donauwörth. Hingegen zieht Schanze 1983/84 (siehe oben Anm. 5), S. 384-388, seine Schlüsse aus der 'Chronik' recht unvermittelt. In sich widersprüchlich bewertet ihren Zeugniswert wiederum Rosenfeld 1979 (siehe oben Anm. 4), vgl. S. 699 ("Da J. Knebel bei Abfassung nicht das Stadtarchiv benutzen konnte, ist der Wert seiner Chronik unterschiedlich.") und S. 703 ("authentisches Dokument").
[75] Siehe oben Anm. 60 zu Dresden.
[76] Vgl. dahingehend auch die grundsätzlichen Bemerkungen in der Einleitung des RSM, Bd. 1, S. 8.
[77] Siehe oben bei Breslau (Hahn), Iglau (Streinz) und Nürnberg (Stahl): Diese Arbeiten werten auch die Archivalien vollständig aus und machen sie teils zudem zugänglich.
[78] Vgl. für Nürnberg die Übersicht bei Stahl 1982 (siehe oben Anm. 8), S. 15-37. Die Durchsicht der biographischen Angaben zu den im Repertorium berücksichtigten Autoren stützt die Befunde Stahls für den Ausschnitt der produktiv tätigen Mitglieder.
[79] Dieser soziologische Wandel der Gattung hat der Studie Walter Rölls ihren programmatischen Titel verliehen: Vom Hof zur Singschule. Überlieferung und Rezeption eines Tones im 14.-17. Jahrhundert. Heidelberg 1976. Den Forschungsstand markiert gegenwärtig die differenzierte gattungsgeschichtliche Skizze von Schanze 1983/84 (siehe oben Anm. 5), Bd. 1, S. 367-392.
[80] Das gilt selbst für so eine herausragende Gestalt wie Hans Sachs: Winfried Neumann. Zum literarischen Kontaktfeld des Hans Sachs. In: Sangspruchtradition 2004 (siehe oben Anm. 5), S. 89-102, hier etwa S. 91 und S. 98f.
[81] Vgl. Hartmut Kugler: Handwerk und Meistergesang. Ambrosius Metzgers Metamorphosen-Dichtung und die Nürnberger Singschule im frühen 17. Jahrhundert. Göttingen 1977 (Palaestra 265).
[82] Die notwendigen Differenzierungen dazu bei Rettelbach 2003 (siehe oben Anm. 40).
[83] Daraus auf eine besondere Nähe zur Institution der Kirche zu schließen, greift zu kurz. Bei den Nürnberger Kirchen (siehe die nachstehende Anmerkung) handelte es sich teilweise im Zuge der Reformation geräumte. Und die Nutzung von Teilen der Freiburger Münsterkirche im Spätmittelalter ist eher der einer modernen Mehrzweckhalle als der eines Sakralraumes zu vergleichen. Vgl. für den weiteren Zusammenhang die Beiträge in: Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hg. von Susanne Rau und Gerd Schwerhoff. Köln, Wien, Weimar 2004 (Norm und Struktur 21).
[84] Eine Liste der Nürnberger Aufführungsorte in: Hans Sachs und die Meistersinger 1981 (siehe oben Anm. 9), S. 128f.: Kirche des Heilig-Geist-Spitals, Lateinschule St. Lorenz, verschiedene Plätze vor den Stadtmauern, Dominikanerkloster, Marthakirche, Kirche des ehemaligen Nonnenklosters St. Katharina, Bartolomäuskirche des Vororts Wörd.
[85] Horst Brunner: Meistergesang und Reformation. Die Meistergesangbücher 1 und 2 des Hans Sachs. In: Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Hg. von Ludger Grenzmann und Karl Stackmann. Stuttgart 1984 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 5), S. 732-742.
[86] Rettelbach 2003 (siehe oben Anm. 40), S. 244.
[87] Siehe unten im Anhang Nr.2.
[88] Dabei ist für den Meistergesang grundsätzlich zu bedenken, dass der Terminus "Meister" bereits einer ist, der aus der älteren literarischen Überlieferung stammt, genetisch betrachtet also literarische Meisterschaft bezeichnet.
[89] Siehe unten Anhang Nr.2.
[90] München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 4998, Bl. 53r, hier zitiert nach Johannes Bolte: Georg Wickrams Werke. Bd. 2. Stuttgart 1902 (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 223), S. XL.
[91] Allenfalls für einen Teilaspekt, und vielleicht nicht einmal für den wichtigsten, der für die Konstitution der Meistersinger-Gesellschaften relevanten Diskurse darf man sich daher Aufschluss erhoffen aus der Diskussion um die Anlehnung der Meistersinger-Gesellschaften an das Bruderschaftswesen. Sie wurde freilich noch kaum ernsthaft geführt. Vgl. dazu die Bemerkungen von Hahn 1985 (siehe oben Anm. 4), S. 47f., und zuletzt Mertens 2004 (siehe oben Anm. 5), S. 133f.
[92] Vgl. Archer Taylor: The Literary History of Meistergesang. New York, London 1937 (The Modern Language Association of America. General Series 4). Nachdruck New York 1966, S. 13-15, zuletzt Brunner/Tervooren 2000 (siehe oben Anm. 15), S. 6f. Vgl. zu den Rederijkers jetzt den Beitrag von Arjan van Dixhoorn im vorliegenden Band.
[93] Ursula Peters: Literatur in der Stadt. Studien zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen städtischer Literatur im 13. und 14. Jahrhundert. Tübingen 1983 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur)S. 219-223. Vgl. dazu jetzt den Beitrag von Laura Kendrick im vorliegenden Band.
[94] Res publica litteraria. Die Institutionen der Gelehrsamkeit in der frühen Neuzeit, hg. von Sebastian Neumeister und Conrad Wiedemann. 2 Bd.e. Wiesbaden 1987. (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 14); Herbert Jaumann: Das Projekt des Universalismus. Zum Konzept der Respublica litteraria in der frühen Neuzeit. In: Über Texte. Festschrift für Karl-Ludwig Selig. Hg. von Peter-Eckhard Knabe und Johannes Thiele. Tübingen 1997 (Schnittpunkte. Greifswalder Studien zur Literaturwissenschaft und Kulturgeschichte 1), S. 149-163; Herbert Jaumann: Respublica litteraria / Republic of Letters. Concept and Perspectives of Research. In: Die europäische Gelehrtenrepublik im Zeitalter des Konfessionalismus / The European Republic of Letters in the Age of Confessionalism. Hg. von Anthony Grafton und Herbert Jaumann. Wiesbaden 2001 (Wolfenbütteler Forschungen 96), S. 11-19.
[95] Hahn 1985 (s.o. Anm. 4), S. 47.
[96] Vgl. dazu im Detail Taylor 1984 (siehe oben Anm. 10), Bd. 1.
[97] Die Bedeutsamkeit der literarischen Vorprägung wird für die organisatorische Struktur des Meistergesangs im Begriff des Meisters und dem der Singschule besonders augenfällig. Die spezifische Organisationsform städtischer literarischer Gesellschaften lässt sich daher hier zuverlässig nur erfassen, wenn solche Vorprägungen und daraus folgende Überblendungen beachtet werden. Das übersieht vollkommen Christiansen, der auf sehr dünner Materialgrundlage im übrigen (und auch im Detail nicht überzeugend) Parallelen zu den Handwerkergilden herauszuarbeiten versucht hat: Heinz C. Christiansen: Meistersinger Schools and Guilds. In: German Life and Letters 26 (1972), S. 119-124. Von einem Missverständnis der Singschule im Sinne von institutionalisierter "Schule" scheinen mir dagegen die Überlegungen von Lepper ihren Ausgang zu nehmen: Marcel Lepper: Wo die Meistersinger das Lesen lernten. Elementarbildung in Nürnberg um 1500. In: Elementarbildung und Berufsausbildung 1450-1750. Hg. von Alwin Hanschmidt und Hans-Ulrich Musolff. Köln, Weimar, Wien 2005, S. 125-144, vgl. besonders S. 131f. Die organisatorische Struktur des Meistergesangs ist am ehesten als eine aus einem Bündel verschiedener Vorbilder und Traditionen abgeleitete zu verstehen (Bruderschaftswesen, Zunftwesen, literarische Vorprägung). Ein Konglomeratcharakter entspräche präzise der Verbindung von relativer Modernität und prinzipieller Eigenständigkeit der Meistersinger-Gesellschaften mit den (sozial/ökonomisch, medial, literarisch) restriktiven Bedingungen, unter denen sie entstanden.
[98] Nationenbildung. Die Nationalisierung Europas im Diskurs humanistischer Intellektueller. Italien und Deutschland. Hg. von Herfried Münkler, Hans Grünberger und Kathrin Mayer. Berlin 1998 (Politische Ideen 8).
[99] Das Verzeichnis umfasst 15 Artikel, von denen ich hier den zweiten und den sechsten als Beispiel gebe (Bl. 4r): Ecclesiastici 44 || Envch hatt gott wolgefallen / vnnd ist vffgnommen word<en> || jnns paradiß vff das er den heiden wißheit geb [...] Hieremie 20 || Singent dem herren. lobent den herren Wann er hatt || erloset die Seel des armen Von der sund des Bösen.
[100] Genannt werden Frauenlob, Walther von der Vogelweide, der Marner und Reinmar von Zweter: Herr frawenlob etc Verbis || Herr walther etc soll stan psalm 93 || Der Edl marner etc Jch wurd singen || meinem gott als lang jch leb. psalm 143 || Der Romer Von Zwick Jst nit erst allegirt der psalm. Es handelt sich hier um eines der raren Dokumente, die vielleicht auf in Freiburg vorgetragene Lieder führen. In den Registern des RSM finden sich dazu aber leider keine eindeutigen Entsprechungen. (Bei dem zweiten Dokument handelt es sich um den nach Kolmar ausgeliehenen und dort von Georg Wickram kopierten Hans Sachs-Autographen aus dem Besitz der Freiburger Gesellschaft, dessen Kolmarer Abschrift heute in München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 4998, aufbewahrt wird. Siehe dazu oben bei Anm. 90.)
[101] Vgl. zu diesem Vorgang Schreiber 1827 (siehe oben Anm. 1), S. 209.
[102] Eine gemeinsam mit Dr. Ulrich Ecker vom Stadtarchiv Freiburg erarbeitete Edition und kommentierende Erschließung des Gesamtbestand der Freiburger Rechenschaftsberichte ist in Vorbereitung.
[* Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um die deutsche und in Teilen erweiterte Fassung eines Originalbeitrags in englischer Sprache: Michael Baldzuhn: The companies of Meistergesang in Germany. In: The Reach of the Republic of Letters. Literary and Learned Societies in Late Medieval and Early Modern Europe. Ed. by Arjan van Dixhoorn and Susie Speakman Sutch. Leiden, Boston: Brill 2008 (Brill's Studies in Intellectual History 168), S. 219-255.]
Impressum: Michael Baldzuhn, Universität Hamburg, Institut für Germanistik I |